Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Duda treffen. Aber leider: Der Ukrainer wohnte und arbeitete nicht mehr in der Bockenheimer Landstraße. Das Grundstück war bis auf Haralabidis Betrieb jetzt vollständig verlassen.
Chance Schwarz: Verschwunden die entlarvte Laborantin, die man vielleicht hätte zum Reden bringen können. Sie war praktisch umgebungslos. Es gab keinen Kontakt im Kollegenkreis. Keine Berührungspunkte mit Inhabern oder Angestellten in dem Wiesbadener Hotel. Freunde waren keine bekannt. Ihr Großvater in Fischbach kürzlich verstorben, Herzinfarkt. Herzinfarkt? Offen allerdings noch, ob Rehbein von der Großmutter in Polen etwas erfuhr. Wo sie sich versteckt haben könnte, vielleicht. Er glaubte nicht daran.
Chance Internet: Der Anbieter der Qualitätsblutkonserven war nicht ermittelbar.
Chance Lolita: Wovon er nie viel gehalten hatte, allein noch übrig, bis gestern. Heute überbrachte Kellermann ihm die Hiobsbotschaft, dass das gestohlene Segelboot, mit dem Knacki und Lolita an Bord, an der Küste vor dem Kap der guten Hoffnung kieloben treibend gefunden worden war. Von der Besatzung keine Spur und keine Spur von Hoffnung auf ihr Überleben. – Dahin die Aussicht, dass Kellermann von der Blumenverkäuferin je erfahren würde, was der Einarmige beharrlich verschwieg.
Aus, vorbei. Alles.
Es war der Tag, an dem im „Saal der Gebändigten“, dreißig Meter tief unter der Erde, Edmund Konrad – auf dem Weg zurück in die Wirklichkeit – den Dialog zwischen zwei Pflegern deutlich mitbekam, als Hermann Reinfeld nach Aufzählung der verlorenen Chancen ein Bild der Verzweiflung bot. Den Kopf in die Hände vergraben, die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt – den Fellen hinterherweinte, die davongeschwommen waren. Er war mit seiner Kraft am Ende. Sie hatten seit dem Verschwinden des Chefs einen Flop nach dem anderen gelandet. Die Klienten verloren die Geduld, schlimmer noch: das Vertrauen. Drohungen trafen ein, Beschuldigungen, die Detektei sei eine Betrügerorganisation, die schamlos die Lage Verzweifelter ausnutze. Sie verlangten ihr Geld zurück. Eine Pfarrersfrau war zu ihm in die Kanzlei gestürmt, hatte ihm die Frage in die Ohren gebrüllt, an welcher sonnigen Küste er von ihrem und anderer Leute Geld seine Villa erbauen ließ, nachdem der Chefganove sich in einer solchen bereits sonne. Sie waren enttäuscht und erbittert. Die Detektei hatte ihnen zwar niemals ein Versprechen gegeben, aber immer Zuversicht suggeriert.
Draußen wich die Dämmerung bereits dem neuen Tag. Um Hermann Reinfeld wurde es neblig und dann schwarz.
Frau Schröder fand ihn zusammengesunken auf dem Teppich liegen. Sie befühlte die Halsschlagader und rief den Notarzt.
Hermann Reinfeld wachte auf und staunte, befand er sich doch auf einer Trage, die in einen Krankenwagen geschoben wurde! Sogleich aber füllten aller Unbill Nachtgedanken wieder seine Sinne. Er schloss die Augen, fühlte die Sauerstoffmaske, die der Notarzt über sein Gesicht stülpte, und schlief ein. Frau Schröder begleitete den Transport zum Rote-Kreuz-Krankenhaus und verließ während der Untersuchungen die Klinik nicht. Das Ergebnis war beruhigend. „Kreislaufkollaps – er hat ihn gut überstanden“, sagte Dr. Neuhöfer, „ich hätte ihn ganz gern einen Tag zur Beobachtung hierbehalten, aber Herr Reinfeld lässt nicht mit sich reden.“ Da stand er auch schon vor ihnen, knöpfte den letzten Hemdenknopf zu, reichte dem Arzt die Hand. „Nochmals herzlichen Dank für alles“, und zu Frau Schröder, „gehen wir.“
Unterwegs im Taxi machte sie ihn ohne Umschweife auf die Wissenschaftsbeilage der Main-Post von gestern aufmerksam und reichte ihm die Seite mit dem betreffenden Artikel. „Den halte ich für äußerst brisant.“
Reinfeld las von einem neu zugelassenen medizinischen Präparat und runzelte die Stirn. Was zum Teufel hielt diese Frau daran für äußerst brisant? Er war noch nicht ganz auf der Höhe und etwas schwerfällig im Denken, doch dann ging ihm blitzartig ein Licht auf.
„Geht es etwas schneller?“, fuhr er den Taxifahrer an. Im Büro telefonierte er sogleich mit Hauser.
„Otto, da gibt es neustens ein Medikament, das …“
„… alle Empfindungen außer Betrieb setzt, Epikur mit Namen, wie maßgeschneidert für Gefangene, die still halten sollen“, fiel Otto Hauser ihm ins Wort, „Kellermann hat mich vorhin angerufen, weil er dich nicht erreichen konnte. Was hältst du von der Sache?“
Reinfeld blieb die Spucke weg, er brauchte ein
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