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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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ich wollte Sie nicht gewaltsam wachrütteln. Jetzt müssen wir uns sputen, ich muss Sie bis spätestens neunzehn Uhr in Ihr Gelass gebracht haben. Ich soll Ihnen noch sagen, dass weitere Anordnungen morgen zwischen neun und elf am Monitor folgen. Übrigens, Sie sind bis zu Ihrer Überstellung nach Süd von den Pflichtprogrammen befreit.“
    Er stand vorsichtig auf. Dr. Richter half ihm in Overall, Socken und Schuhe, dann tat der Auferstandene aus dem Koma einige Schritte – und wankte. Der Arzt stützte ihn.
    „Das geht den meisten so“, sagte er, „gibt sich aber bald. Ich schiebe Sie besser rüber und Sie üben Ihre Schritte nach und nach in der Kemenate.“
    Er holte einen Rollstuhl aus dem Nebenraum. Edmund nahm fügsam darin Platz.
    Nach einigen Schritten in der Zelle ging es erheblich besser als vorhin. Er setzte sich dennoch gleich wieder hin. Ans Fenster. Sah hinaus auf die Adlergasse. Ganze vier Wochen waren vergangen, unmöglich! Es war doch erst gestern, dass Hannelore sich auf diese Teufelin gestürzt hatte, und vorgestern erst hatte er …
    Es klopfte an die Tür. „Herein, bitte!“
    Die Klinke quietschte leise, doch die Tür blieb zu. Klar – er hatte den Riegel vorgeschoben. „Moment!“, rief er, ging öffnen und erstarrte. Das kann nicht sein, ausgeschlossen. Halluziniere ich? Vor ihm stand Koko. Ausgeschlossen. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder. Er war es wirklich. Sie fielen sich in die Arme.
    „Seit wann?“, fragte Edmund. Sie setzten sich nebeneinander auf die Bettkante.
    „Seit fast vier Wochen. Ein Tag vor meiner Ankunft kamst du in die Apathie . – Mensinger hat mir alles erzählt.“
    Edmund betrachtete den Bruder und schüttelte den Kopf.
    „Ich glaubs noch nicht, ich kanns nicht fassen. In welche Falle bist du getappt?“
    „Ich war einem der Gangster dicht auf den Fersen, wollte dranbleiben bis zum Hauptquartier … flog ihm nach Moskau hinterher – vielmehr wollte ich. Auf meinem vermeintlichen Weg zum Flughafen bekam ich im Taxi eine Spritze und wachte in einem Fahrstuhl auf, der in die Tiefe raste. Den weiteren Verlauf muss ich dir nicht schildern.“
    „Wie geht es unseren Frauen?“
    „Nicht gut, wie du dir denken kannst. Niemandem von uns ist es seit deiner Entführung mehr gut gegangen. Bedenke, dass wir nicht einmal wissen konnten, ob du am Leben bist. Mutter hat sich in einen religiösen Wahn hineingesteigert. Betet Tag und Nacht, verlässt ihr Haus nicht mehr.
    Lydia hat sich gottlob dazu überreden lassen, zu uns zu kommen. Sie und Beate kommen gut miteinander aus. Lydia gibt Beate Klavierunterricht. Manchmal spielen sie vierhändig, manchmal gehen sie spazieren. Sie geben einander Halt, versuchen es jedenfalls.“
    „Mensinger hatte berichtet, dass Raabe mit dir mitzieht. Wie weit seid ihr?“
    „Auf Null. Kein Licht am Ende des Tunnels, kein Kommissar Zufall, kein Leck im Feindeskreis.“
    „Hat Raabe den falschen Mensinger nicht durchschaut?“
    „Doch. Aber der war tot, ehe er ihn bearbeiten konnte. Die Gangster hatten offensichtlich Lunte gerochen, dass er unter Verdacht stand und zu Recht angenommen, dass Raabe ihm nach der Enttarnung die Zunge gelöst hätte. Oder sie haben ihn nicht mehr gebraucht, weil er das, was sie wissen wollten, von ihm erfahren hatten. Jedenfalls schossen Sie ihm in den Kopf und warfen ihn in den Main. Man fand ihn an dem Morgen, als ich nach Moskau aufbrach – und hier landete. Raabe gab mir die Meldung durch, während draußen der falsche Taxifahrer hupte und auf Eile drängte.“
    Koko atmete tief durch und fuhr fort:
    „Seitdem sind immerhin vier volle Wochen verstrichen. Viel kann inzwischen passiert sein – jedenfalls, Raabe lässt nicht locker, ebenso wenig meine Truppe.“
    „Hast du hier unten Kontakte, abgesehen von Mensinger?“ „Ja. Mit Angela, der Frau deines Schulfreundes, der in der Apathie festgeschnallt ist, und mit Gerd, deinem Schüler. Wir vier sind öfter zusammengekommen, unsere Ratlosigkeit zu verdammen. Wobei Gerd immer mal wieder eine verrückte Befreiungsidee hatte.“
    „Ich darf gar nicht an Mama denken. Jetzt auch noch du.“
    „Sie hält es schon seit deinem Verschwinden im Kopf nicht mehr aus. Ich sagte es bereits, religiöser Wahn.“
    „Eine Art Zuflucht. Mein Gott, wie gern würde ich sie jetzt in den Arm nehmen.“
    „Was ich dich fragen wollte, kennst du … ich habe hier in Repuestos einige angetroffen, deren Namen mir aus der Liste oben im Büro in Erinnerung sind.

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