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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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werden.
    „Hallo, Hermann! Kupsch ist geortet!“
    Reinfeld schnellte von seinem Stuhl hoch und Raabe richtete sich kerzengerade auf. „Geortet?“, rief Hermann. „Ich dachte, sein Boot sei im Sturm gekentert und die beiden ertrunken!“
    „Ich bin in rasender Eile, bitte unterbrich mich nicht. Kupsch hatte von der inzwischen internationalen Fahndung nach seiner Person Wind bekommen und die Havarie mit tödlichem Ausgang vorgetäuscht, um dem ein Ende zu setzen. Er ist immer noch auf Weltumseglung. Mit Lolita an Bord, auf einem anderen Boot und unter anderem Namen. Lolita ist nicht aus freien Stücken dabei, sie konnte endlich von irgendwo aus heimlich mit ihrer Schwester telefonieren. Derzeit segeln sie die afrikanische Westküste hoch, haben vor zwei oder drei Wochen den Hafen von Conakri hinter sich gelassen und peilen Dakar an. In einer Stunde weiß ich Näheres, ich ruf dich dann sofort an oder komme vorbei, ich muss Schluss machen, sonst verpasse ich eine wichtige Zugankunft, tschüss.“
     
    In dem Zug, dessen Ankunft Kellermann keinesfalls verpassen wollte, nahm Maria Birici, Lolitas Schwester, ihre Reisetasche aus dem Gepäcknetz, denn er fuhr soeben im Frankfurter Hauptbahnhof ein. Obwohl sie erst in einer Woche in der Blumenboutique zurückerwartet wurde, in der sie ihre Schwester seit deren Abwesenheit vertrat, hatte sie zur Enttäuschung ihrer Eltern beschlossen, den Urlaub daheim fünf Tage früher als beabsichtigt zu beenden, motiviert durch Kellermanns Drängen, Lolita zuliebe lieber heute als morgen zurückzukommen.
    Sie war müde von der Zweiundzwanzig-Stunden-Reise, von der Fahrt durch den Stiefel, die ganze Länge hindurch von Brindisi bis hier, und sie freute sich auf Lolitas Dachwohnung im Sandweg, auf das Bett. Sie stieg aus dem Zug und sah ganz vorn am Anfang des Bahnsteigs den Mann mit der weißen Blume am Revers, Reinhard Kellermann. Sie hob ihren Arm und schwenkte ein weißes Taschentuch. Sein Blick wanderte prüfend von Figur zu Figur der Menge, die dem Zug entstieg, bis er ihr Winksignal gewahrte und auf sie zueilte. Er erkannte sie sofort, sie sah ihrer Schwester sehr ähnlich. Er begrüßte sie, nahm ihr die Tasche ab und zog sie zu der eisernen Gitterbank vor den An- und Abfahrtstafeln.
    „Setzen wir uns zwei Minuten, ich muss dringend ganz kurz telefonieren“, sagte er und tippte auf sein Mobiltelefon ein.“ Sie staunte nicht schlecht, als er hineinsprach:
    „Hermann, ich bin in zehn Minuten im Büro in Begleitung einer jungen Dame, die soeben direkt aus Brindisi an Bahnsteig elf angekommen ist. Brau uns einen kräftigen Kaffee … bis gleich! … Was? … Ja, richtig, Maria Birici, also tschüss, bis gleich.“
    Maria legte die Stirn in Falten. Wie dieser Mensch ohne zu fragen über sie verfügte, das passte ihr überhaupt nicht und das gab sie ihm auch deutlich zu verstehen.
    „Und außerdem“, fügte sie hinzu, „bin ich hundemüde und will in mein Bett.“
    „Ich bin ein Esel, Sie so zu überrollen. Bitte ergebenst um Entschuldigung für meinen Übereifer, der mich meine guten Manieren vergessen ließ. Aber wir müssen Ihre Schwester schnellstmöglich aus ihrer fatalen Lage herausholen – das wollen Sie doch wohl auch. Oder? Jede Stunde mehr mit diesem Ganoven ist eine zu viel, denke ich.“
    Sein betörendes Lächeln verfing bei ihr nicht, doch sein Argument war zu stark, um es fortzuwischen. Sie hakte sich bei ihm unter und schritt ohne ein weiteres Wort resolut neben ihm her zum Südausgang und zum Parkplatz diagonal gegenüber.
    Im Nussknackerbüro vibrierte die Luft. Kellermanns Anruf hatte Raabe und Reinfeld in höchste Spannung versetzt. Raabe rief den Fahndungsleiter, Hauptkommissar Kröger, daheim an und empfahl ihm, sich in der nächsten Stunde für eine brisante Information zum Fall Harry Kupsch bereitzuhalten.
    „Er ist keineswegs abgesoffen und es sieht ganz so aus, als stünde Ihnen morgen früh eine wichtige Zeugin für ein Aussageprotokoll zur Verfügung.“ Trotz der späten Abendstunde bedankte sich Kröger hocherfreut. Raabe war es, als höre er durch die Leitung hindurch, wie er sich die Hände rieb.
     
     
    Kaffeeduft umfing die späten Besucher bereits im Flur und Kellermann freute sich, Hauptkommissar Raabe gleich mit anzutreffen. Frau Schröder füllte die bereitgestellten Tassen.
    „Ich habe vorsichtshalber eine Pizza bestellt für den Fall, dass die junge Dame Appetit im Gepäck hat. Der Italiener wird damit gleich da sein.“ Frau

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