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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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Kunde darauf, bedient zu werden, während Sie den Lehrer bedienten.“
    „Tut mir leid, ich weiß es einfach nicht.“
    „Schade. Wissen Sie noch, wo der Lehrer stand, als Sie die Rosen für ihn aus dem Kübel nahmen – oder hat er sie sich selbst ausgesucht?“
    „Ja, das hat er. Und sie dann auf die Theke gelegt, und ich habe sie ihm zurechtgemacht.“
    „Währenddessen stand er Ihnen gegenüber, so wie ich jetzt.“
    „Ich habe nicht darauf geachtet, aber ich denke schon.
    Das macht zweiunddreißig Euro fünfzig“, sagte Sehring und legte den Kassenbon neben den eingepackten Strauß.
    Raabe reichte ihm einen Fünfzig-Euro-Schein und fragte:
    „Können Sie sich zufällig daran erinnern, in welcher Verfassung der Lehrer gewesen ist?“
    Eine Kundin betrat das Geschäft.
    „Verfassung?“
    „Ja. Verfassung. War er heiter oder traurig, nervös oder beflügelt – oder machte er den Eindruck, dass er Angst hatte?“
    „Ich glaube, ja. – Ja, er hatte Angst. Er hat immerzu durch die Scheibe nach draußen gesehen und ist nachher im Eilschritt zur U-Bahnstation gelaufen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen“, sagte er, legte das Wechselgeld auf den Blechteller neben der Kasse und ging auf die Kundin zu. Die war dabei, einen Topf Alpenveilchen nach dem anderen begutachtend hochzuhalten. Die Verkäuferin hatte mittlerweile die Schnittblumen mit frischem Wasser versorgt und den Verkaufsraum durch die Tür hinter der Theke verlassen. Raabe nahm seine Rosen und schlenderte durch den Laden. Blieb eine Weile scheinbar interessiert vor dem Kakteenarrangement stehen, drehte danach den Grußkartenständer um und um – nahm manchmal eine Karte heraus und steckte sie wieder zurück –, betrachtete den Gummibaum und andere Zimmerpflanzen und ließ bei alledem Sehring nicht aus dem Augenwinkel. Dass der nervös war, konnte er deutlich erkennen, aber es sah so aus, als ließe er sich nicht aus der Ruhe bringen – bis er durch eine fahrige Bewegung eine Kristallvase mit Levkojen von ihrem Sockel fegte – da verlor er die Nerven und brüllte auf. Die Vase lag zersprungen auf dem Marmorboden, direkt vor den Füßen der Alpenveilchen-Kundin. Sie stand nun mit ihren Lackschuhen in einer Pfütze mit umherschwimmenden Blumen. „Lolita!“, schrie Sehring, so laut seine Stimme es hergab, „wo stecken Sie nur, hier gibt es zu tun!“ Sein blasses Gesicht war rot angelaufen und seine Augen blitzten Raabe an, als habe der das Malheur verursacht. Die Verkäuferin eilte herbei, sagte vorwurfsvoll: „Ich sollte doch im Lager die …“ Da sah sie die Bescherung, schaffte Schippe, Besen und Putzzeug heran. Sehring starrte immer noch wütend Raabe an. Der sagte freundlich „Auf Wiedersehen“ und ging.
    Vergnügt spazierte Kriminalhauptkommissar Raabe zwischen den Ahornreihen seiner Nibelungen-Allee heimwärts. Er liebte diesen Teil des City-Rings, trotz des nie enden wollenden Verkehrs zu beiden Seiten. Er sah sein Gefühl bestätigt: Die Blumenboutique barg ein schwarzes Geheimnis.
    Er kam pünktlich heim. Marion staunte.
    „Und obendrein mit Rosen! Sag mal – stimmt mit deinem Gewissen was nicht?“
    Das war im Spaß gefragt. Sie freute sich und lotste ihn ins Atelier, wie sie die Malerecke im Erker nannten.
    „Essen ist gleich fertig. Sieh dir meinen neusten Entwurf in Kohle an – morgen will ich mit dem Malen beginnen.
    Horst starrte verdutzt die schwarz auf weiß dargebotene Kreation an. Irre Faszination. Er kraulte sich am Hinterkopf. Was das wohl werden sollte! Er ging hinüber in sein Arbeitszimmer und rief die Konrads an – mit einem schalen Gefühl, einer Art schlechtem Gewissen, obwohl er sich nichts vorzuwerfen hatte. Beate war am Apparat.
    „Koko ist noch im Büro“, sagte sie. Frostig, wie es ihm schien.
    Er erreichte ihn dort in letzter Sekunde.
    „Hallo, Horst – ich war schon halb aus dem Büro. Falls es etwas Neues gibt, ist es hoffentlich was Gutes.“
    „Ich wollte dir nur sagen, dass ich glaube, dass du mit deiner Vermutung mit dem ‚Riesending am Kochen‘ richtig liegst. Kollege Hübner von der Vermisstenstelle betreibt die Untersuchungen enervierend lasch und mir ist jede Aktivität in dem Zusammenhang untersagt. Ich bin froh, dass du dich intensiv mit den Entführungen befasst.“
    „Und ich, dass du von Entführungen sprichst. Es ist in der Tat die einzige Erklärung für die gigantische Vermisstenwelle. Ich kann also auf deine Kooperation zählen.“
    „Absolut! Und etwas Neues gibt es

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