Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
auch. Es ist inzwischen amtlich, dass Edmund nichts mit dem Mord an dem Schüler zu tun hat.“
„Habt ihr eine neue Spur?“
„Das nicht. Aber die alte führt von Edmund weg.“
„Eine sehr gute Nachricht. Ich habe auch etwas Neues. Aber nichts Gutes. Dr. Leitmeiers Sohn ist ebenfalls verschwunden. Seit gestern.“
„Leitmeier? Ist das nicht der Arzt, dessen Tochter vor ...“
„Genau der. Was ich dich fragen wollte: Hast du die Eltern Scholz befragen können?“
„Ich war gestern da und heute wieder. Vergeblich. Versuche es morgen wieder. Koko, ich muss mit dir reden. Vorhin habe ich fünf Rosen gekauft und … Können wir uns am Donnerstag treffen? Oder nicht – wegen Lydia …“
„Doch, doch, an dem Badeprogramm unserer Frauen ändert sich nichts. Lydia kommt mit den beiden sogar mit.“
Für Horst und Koko waren die Donnerstagabende, die ihre Frauen in der Bad Homburger Taunus-Therme verbrachten, seit Langem eine feste Einrichtung. Sie trafen sich dann im Hinterstübchen von Kokos Detektei.
„Essen ist fertig!“, schallte es aus der der Küche. Marion hatte den Tisch gedeckt und bereits aufgetragen.
„Also dann – bis übermorgen. Grüß Beate.“
„Und du Marion.“
„Oh, sieht das gut aus. Und wie das riecht!“ Er setzte sich Marion gegenüber an den hübsch gedeckten Tisch.
„Hast du Koko erreicht?“, erkundigte sich Marion.
„Ja. Wir treffen uns wieder nächsten Donnerstag, Lydia kommt übrigens mit euch in die Therme – aber nun erzähl mal, wie war es im Literaturhaus? Hat Moser was zu bieten?“
„Die Begegnung mit dem Herrn Galeristen war glatte Zeitverschwendung. Der Typ versuchte sich als Herzensbrecher und das so plump, dass es schon wieder zum Lachen ist. Ich habe mir seine Vorschläge zur Sache gar nicht erst angehört.“
„Sieh an, so einer ist das! Darauf wäre ich nie gekommen! Davon war in dem Portrait des Magazins ‚Kunst und Philosophie‘ über diesen Herrn keine Rede – nicht einmal andeutungsweise.“
„Apropos besprechen“, sagte Marion, „ich hab dir noch gar nix von der Aufregung bei Brunerts erzählt.“
„Brunerts?“
„Du kennst sie doch, die mit dem Cocker Spaniel, im Haus nebenan, vierter Stock“, erklärte sie. „Stell dir vor, der Bruder von Frau Brunert, Egon Kanzel, wird ebenfalls vermisst. Er wollte auf eine Tasse Kaffee bei ihr vorbeikommen und ist nicht erschienen. Nach Hause zurückgekehrt ist er auch nicht. Er wohnt in der Wiesenstraße und war mit dem Fahrrad losgefahren, hätte also zehn Minuten später bei seiner Schwester ankommen müssen.“
„Von wem hast du das erfahren?“
„Von Gerlinde.“
„Gerlinde? Unserer Putzfrau? Die kommt doch samstags – das war vorgestern!“
Marion nickte.
„Marion, Liebling, von derlei möchte ich bitte gleich, nachdem du es erfährst, informiert werden! Entschuldige, ich wollte nicht ungehalten sein, aber das wäre wirklich eine Gelegenheit gewesen, auf der Stelle aktiv zu werden, und die ist nun verpatzt.“
„Ich wollte es dir ja am Samstag sagen, doch da kam die Hektik um Edmund Konrads Verschwinden dazwischen und da ist es mir …“
Er hörte schon nicht mehr zu. „Zwischen Wiesenstraße und hier, sagst du – und mit dem Fahrrad?“ Raabe holte sein Handy hervor und wählte die neun, die Nummer seines Topinformanten aus der Bornheimer Unterwelt mit dem Decknamen Fiffi.
Marion, die Arme vor der Brust gekreuzt, hörte mit angehaltenem Atem Horsts Anweisungen zu.
***
Koko hatte alle Mitarbeiter von Kanzlei und Detektei zum Sondereinsatz „Entführungen“ abgestellt. Die Arbeit lief auf Hochtouren – der Erfolg blieb aus. Nur wilde Spekulationen, nichts Brauchbares. Und die Sorge um Edmund wuchs von Stunde zu Stunde.
Konrad durchmaß verhaltenen Schrittes sein Büro im vierzehnten Stock des um diese Zeit nahezu menschenleeren Hochhauses unweit des Messeturms. Er sah zuweilen auf die Stadt zu seinen Füßen. Auf die Hochhaussilhouette waren die Neu-Frankfurter so stolz. Mit seinem Frankfurt-Verständnis war sie nicht in Einklang zu bringen.
Es war Donnerstagabend halb acht. Sein Freund musste jeden Augenblick aufkreuzen. Er lief wie ein Tiger in seinem Büro hin und her. Seine Gedanken umkreisten unablässig den Bruder. Er zweifelte nicht an seiner Entführung. Edmund hatte keine Aussteigerambitionen und erst recht keinen Grund zum Untertauchen.
Raabe war schon auf dem Weg zu ihm. Auch gestern war aus einer aufschlussreichen Befragung der Eltern
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