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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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in Anspruch. Gustav rief freudig: „Wenn ich dich richtig verstanden habe, können wir jetzt innerhalb dieser Katakomben gehen, wohin wir wollen, und das bis zum Wecken morgen früh um sechs.“
    „So ist es.“
    „Dann möchte ich jetzt mir dir in unsere Kemenate und mich ausruhen.“
    So, wie er sie dabei ansah, war sie damit mehr als einverstanden. Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich nach seiner Kraft – mochten die Umstände auch so sein, wie sie waren. Sie schliefen nach ihrem wild verzweifelten Liebesspiel fest und tief und wachten gegen Mitternacht auf. Gustav inspizierte die Kemenate in allen Ecken und Winkeln, entdeckte im Waschraum alles, was er zum Rasieren brauchte, und seifte nach einem raschen Blick in den Spiegel sein Gesicht ein. Angela blieb mit verschränkten Armen im Nacken noch einen Augenblick liegen.
    „Ich habe Hunger – kriegt man um diese Zeit irgendwo was zu essen?“, rief Gustav zu ihr rüber.
    „Hugos Bistro ist durchgehend geöffnet. Du musst dir aber erst anhören, was dieser Duda labert und vor allem zum Mittwoch angeordnet hat. Gespeichert auf Kanal vier.“
    „Wozu – hast mir doch alles gesagt …“
    „Man legt aber Wert darauf, dass du die Begrüßungsrede abrufst. Sonst gibt es Ärger. Die kontrollieren das.“
    Gustav echauffierte sich über den zynischen Willkommensgruß, ließ die Rede über sich ergehen, nahm sich die Warnungen zu Herzen und versprach Angela, sich bis Mittwoch an die Anweisungen zu halten.
    „Hoffentlich gibt es in dem Bistro was Kräftiges – weißt du, seit wann ich am Hungertuch nage?“
    „Ich ahne es. Und du wirst zufrieden sein. Hier gibt es überall nur das Feinste vom Feinen.“
    „Sind wir im Schlaraffenland?“
    „Wein gibt es allerdings nicht. Alkohol überhaupt nur sonntags im ‚Pussikat‘ und da soll es recht wüst zugehen.“
    „Wahrlich ein Rätsel, dieses Repuestos . Was haben die bloß mit uns vor?“
    „Am Mittwoch werden wir es erfahren.“
    „Also, diese Mittwochsoffenbarung warte ich noch ab, wie ich es dir versprochen habe, danach werden Pläne geschmiedet. Mit Edmund zusammen. Ich hoffe doch, dass wir ihn morgen sehen.“
    Gustav war mit Rasieren fertig und tupfte sich das Gesicht trocken. Er kehrte in den „Salon“ zurück, wie sie die Zelle nannten, und sagte: „Toll siehst du aus, selbst in diesem Sträflingsanzug.“
    „Schmeichler! Gehen wir.“
     
    Draußen verschlang sie ad hoc die Gefängnisatmosphäre. In Hugos Bistro herrschte noch reger Betrieb. An einem Tisch waren noch zwei Plätze frei – ein Mann und eine Frau flüsterten lebhaft aufeinander ein. Ein Streitgespräch, wie Mimik und Gestik zu entnehmen war. Es sah komisch aus.
    „Sie gestatten?“, fragte Gustav.
    „Oh, ein Neuer, der noch fragt“, sagte der Mann, „frisch aus der geordneten Gesellschaft, welche abgeschafft gehört, wie Ingeborg, meine charmante Begleiterin, im Gegensatz zu mir meint. Dieter Schuster – und das ist Ingeborg Wengler.“
    Sie setzten sich hin und stellten sich vor. Gustav wollte von der Dame wissen, warum ihrer Meinung nach die Gesellschaft abgeschafft gehöre.
    „Nicht die Gesellschaft, die vielleicht auch“, die Stimme der jungen Frau klang grob, „aber im Moment war die Rede von der Ordnung, die ihr innewohnt. Die ist doch die Grundlage allen Übels, als da sind Militär, Polizei, Regierung, Kirchen, Schulen, kurz: die Institutionen, die die Menschen knebeln.“
    „Interessant. Sie wollen also Anarchie.“
    „Das ist mir zu etikettiert. Ich meine ganz einfach, dass wir als Lebewesen Anspruch auf Ruhe haben und dass jeder seinen Weg gehen kann. Jedes Tier in Wald und Feld ist freier als der Mensch und wir …“, sie hielt inne und wandte sich ihrem Begleiter zu, „Dieter, du hast mir eine Bowlingrunde versprochen – gehen wir!“
    Offenbar war es Ingeborg Wengler leid, ihre Weisheiten zu vergeuden.
    „Also ich wäre liebend gern diesen Institutionen wieder ausgeliefert“, sagte Angela und sah den beiden hinterher. Hugo kam mit dem Notizblock an ihren Tisch und begrüßte sie mit einem Kopfnicken. Gustav bestellte Langusten. „Die hab ich zum letzten Mal auf Mallorca gegessen – und auf gegrillter Petersilie überhaupt noch nicht.“
    Angela, appetitlos und durstig, bestellte ein Zitronenwasser.
     
     
     
     
     
     
    ***
     
     
     
    Marion hatte in dem holperigen Hof hinter dem Literaturhaus einen Parkplatz ergattern können. Es nieselte, sie eilte im Laufschritt um die zwei Ecken

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