Requiem für eine Sängerin
Diskussion wurde immer hitziger, bis der Assistant Chief Constable Fenwick schließlich anbrüllte: «Nein! Nur wenn sie selbst darauf besteht, dass der Auftritt abgesagt wird. Haben Sie verstanden? Sie können Ihre Bedenken verdammt noch mal aktenkundig machen und dann mit Ihrer Suche nach Rowland fortfahren. Es wird Zeit, dass Sie wieder anfangen, wie ein Polizist zu denken und nicht wie ein Theateragent.»
Erst auf dem Weg die schmucklosen Treppen hinunter, auf dem Weg zurück zu Anderson, fiel Fenwick ein, dass die Frau des Assistant Chief Constable im Organisationskomitee sowohl des Konzerts wie auch des Wohltätigkeitsvereins saß, der von der Aufführung profitieren würde. Er tat den Gedanken, dass das die Entscheidung seines Vorgesetzten in irgendeiner Weise beeinflusst haben könnte, als unwürdig ab.
In seinem Büro betonte Anderson noch einmal die Vorteile, die ihr Auftritt hätte: Es wäre eine sorgsam geplante Falle; sie wäre der Köder. Jetzt waren sie Rowland einen Schritt voraus. Sie konnten ihn überlisten und fassen.
«Ich kann nicht weiterleben, solange er auf freiem Fuß ist, Andrew. Jedes Mal, wenn ich eine Bühne betreten oder aufstehen würde, um zu singen, würde ich mir Gedanken machen, warten. Ich möchte, dass es vorbei ist.»
Fenwick schwieg. Schließlich ging er zu Octavias Stuhl und nahm ihre Hände in seine. Die Berührung hatte immer noch die Macht, ihn erschauern zu lassen, und er erlebte den Kitzel lustvoller Erinnerungen, als ihre langen weißen Finger die Innenseite seiner Handgelenke streiften.
«Sind Sie sicher? Ich kann für nichts garantieren. Wir könnten hundert Männer dort aufstellen, und er könnte dennoch gefährlich sein.»
«Ich bin sicher.» Eine Art leuchtende Vorfreude funkelte in ihren Augen.
In seinen Jahren bei der Polizei hatte Fenwick noch nie eine sichere Unterkunft arrangieren müssen, aber der Assistant Chief Constable organisierte alles reibungslos, nachdem er Fenwick an die Kosten des Polizeischutzes im Vergleich zu der Miete, die Anderson ohnehin zahlen musste, erinnert hatte. Anderson wurde mit einem Polizeiwagen transportiert. Sie besaß die Geistesgegenwart, einen Koffer mitzubringen. Nightingale wurde zu dem sicheren Haus beordert, um dort bei ihr zu bleiben. Der Assistant Chief Constable war hin- und hergerissen zwischen Gefallen an der zunehmenden Komplexität des Falls, dank deren er sein Organisationstalent in vollem Umfang zur Schau stellen konnte, und Sorge wegen der immensen Kosten. Nach einer kurzen Unterredung genehmigte er die Fortsetzung der Suche im Süden Londons für vierundzwanzig Stunden, aber Fenwick wusste, dass das seine letzte Chance war und wer die Schuld an der Verschwendung von Zeit und Arbeit in die Schuhe geschoben bekommen würde.
Er saß im Einsatzraum und biss in ein Sandwich mit Avocado und Schinken, als ihm die Aufregung an einem der Schreibtische auffiel. Bevor er nachfragen konnte, kam ein junger Beamter, ein dünnes Blatt Papier schwenkend, zu ihm gelaufen.
«Aus Richmond. Sie glauben, sie haben Rowlands Unterschlupf gefunden. Sie haben mit dem Mädchen vom Maklerbüro gesprochen – Wiggenshall’s –, und sie ist sicher, dass sie einem Mann, auf den Rowlands Beschreibung passt, vor vier Monaten eine Wohnung vermietet hat.»
«Das Mädchen» – Jane – hatte die Telefonnummer auf dem Fax nicht beachtet, sondern eine alte Freundin bei der städtischen Polizei angerufen. Nachdem sie mehrmals weiterverbunden worden war, hatte sie schließlich mit dem Detective gesprochen, der die Bedeutung ihrer Geschichte sofort begriffen hatte. Fenwick stimmte sich mit der dortigen Kripo über die weitere Vorgehensweise ab. Ein Detective Inspector Harrington bekam den Oberbefehl in Richmond; Fenwick konnte vor dem Assistant Chief Constable mit ihm sprechen, der über den Durchbruch in Kenntnis gesetzt wurde, und übernahm die Koordination zwischen den beiden Revieren.
«Harrington? Fenwick hier. Wie ist die Situation?», «Wir sind gerade mit der Vernehmung fertig, haben sie aber gebeten zu bleiben – wir dachten, Sie wollten vielleicht selbst mit ihr reden. Sie ist hundertprozentig sicher, dass es sich bei dem Mieter um Rowland handelt, kein Zweifel möglich. Ich wollte gerade zwei Wagen zu der Adresse schicken – keine Bange, Überwachung, mehr nicht.»
«Sagen Sie den Männern, sie sollen vorsichtig vorgehen. Wenn das sein Stützpunkt ist, brauchen Sie eine bewaffnete Überwachung. Der Mann ist äußerst
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