Requiem für eine Sängerin
sich an die Bar gelehnt hatte, aber an der Eingangstür würden sich seine Fingerabdrücke mit Sicherheit finden lassen.
Als er hineinschaute, sah er, wie der Wirt den Hörer auflegte und zu dem Durchgang lief. Rowland rannte zu dem Escort und fuhr weg. Das Auto musste er loswerden. Er würde es zu einer entlegenen Stelle fahren und anzünden. Seine finanziellen Mittel schwanden erschreckend schnell dahin, aber er hatte immer noch mehr als genug, um die nächsten Tage zu überstehen. Und für die Zeit danach hatte er keine Pläne, für die er Geld brauchte. Sein dringendstes Anliegen war es, den letzten Rest seiner Ausrüstung und seiner Vorräte aus London zu holen und unterzutauchen.
In Richmond quälte sich Minerva im Büro von Wiggenshall’s durch den Vormittag, aber um die Mittagszeit war ihr hoffnungslos unwohl, und sie war allein in der Agentur. Sie konnte kaum sprechen, und Fieber färbte ihren Teint purpurrot. Es waren den ganzen Vormittag Besucher im Büro gewesen, und für den Nachmittag waren zahlreiche Termine vereinbart worden; sie konnte nicht einfach abschließen und nach Hause gehen.
Verzweifelt wählte sie Janes Nummer. Sie sollte zwar erst am Freitag zurückkommen, aber es bestand ja die Möglichkeit, dass sie ihren letzten Urlaubstag zu Hause verbrachte. Zu ihrer Erleichterung meldete sich Jane. Es erforderte ein wenig Überredungskunst, aber allein Minervas Stimme reichte aus, Jane zu überzeugen. Sie würde kommen. Minerva segnete sie und zählte die Minuten bis zu ihrer Ankunft.
40
Fenwick hatte Octavia Anderson gerade im Präsidium begrüßt, als er die Nachricht vom Anruf des Wirts in Chichester erhielt. Das dortige Polizeirevier hatte bereits ein Team hingeschickt, und er gab dem befehlshabenden Inspector eine kurze Beschreibung von Rowland und ermahnte ihn, wie gefährlich der Mann war. Es verwirrte ihn, dass Rowland sich so weit im Süden aufhielt, und ihm graute vor den politischen Konsequenzen der für die Suche in London vergeudeten Stunden. Wenn die Person im Pub wirklich Rowland war, würde er die Suche verlagern und dringend die dortige Polizei instruieren müssen. Er würde sich nicht beliebt machen.
Er kehrte zu Octavia zurück. Sie sah schrecklich aus – nervös, müde und durch und durch ängstlich. Er versuchte zu lächeln, aber sie achtete nicht darauf.
«Andrew, ich musste Sie sehen. Am Telefon konnte ich nicht reden; es könnte abgehört werden.»
Fenwick zog fragend eine Augenbraue hoch, sagte ihr aber nicht, dass er sein Büro, sein Haus und das Auto seit über einem Monat regelmäßig auf Wanzen untersuchen ließ.
«Es ist mein Ernst. Sie kennen ihn nicht. Er ist sehr gut in dem, was er tut.»
«Ich dachte, Sie kennen ihn auch nicht – jedenfalls schon lange nicht mehr.»
«Das stimmt auch, aber ich bin ihm im Lauf der Jahre zweimal begegnet – durch reinen Zufall. Ich kann einschätzen, wann jemand kompetent ist und Macht hat.»
«Was müssen Sie mir sagen?»
Sie sah ihn mit starren Lippen an und brachte keinen Ton heraus. Jetzt, da der Augenblick gekommen war, konnte sie die Worte nicht aussprechen, die alles real machen würden.
«Er wird versuchen, mich zu töten. Ich weiß … ich …»
«Wir haben uns schon darüber unterhalten. Vor zwei Tagen erst waren Sie fest entschlossen, unabhängig zu bleiben! Warum sind Sie jetzt hier?»
«Jedenfalls nicht, um zu diskutieren, Andrew! Es ist ernst. Er wird mich töten, und ich weiß auch, wann und wo.» Sie machte eine Pause und hob die Hand zu einer halb flehentlichen, halb nachdrücklichen Geste. Sie hatte ihr Publikum.
«Er wird es am Montag versuchen, in der Kathedrale von Chichester.»
Fenwick warf einen Blick auf die Nachricht auf seinem Schreibtisch, von der Polizei in Chichester. Sie waren zu einer Routineüberprüfung zu dem Pub unterwegs. Er bezweifelte, dass sie bewaffnet waren.
«Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.» Er verließ das Zimmer, rief Cooper und bat ihn, schnellstens nach Chichester zu fahren und, dort angekommen, extrem vorsichtig vorzugehen. Bayliss’ Worte fielen ihm wieder ein: «Lassen Sie Ihre Jungs nicht mit Holzknüppeln gegen ihn antreten.»
Es kostete ihn zwanzig Minuten, den Assistant Chief Constable zu überreden, dass er die Genehmigung erteilte, in Chichester von Schusswaffen Gebrauch zu machen. Danach kehrte er in sein Büro zurück.
«Wie können Sie es wagen!», fuhr Anderson ihn an. «Ich erzähle Ihnen, dass mein Leben in Gefahr ist, und Sie
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