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Requiem für eine Sängerin

Requiem für eine Sängerin

Titel: Requiem für eine Sängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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noch Tröpfchen von Feuchtigkeit auf den perfekten Blütenblättern – Tau vom frühen Morgen, vielleicht sogar vom Spray der Floristin. Keine Karte, kein Hinweis, wer sie bestellt hatte. Fenwick bückte sich und hob eine rote Rose auf, die am Rand des Grabes steckte und noch frisch war. Er brach den langen Stiel fünf Zentimeter unter der Blüte ab und steckte sie sich behutsam ins Knopfloch, dann trat er den Rückweg an.
     
    Die Aktivitäten in der Kathedrale hatten sich nach der anfänglichen Hektik etwas beruhigt. Die Reinigungsarbeiten waren beendet, der hallende Raum blieb ganz den Beleuchtern überlassen. Ein großer, dunkelhaariger Mann ging mit stiller Selbstsicherheit und Kompetenz zwischen ihnen umher. Sein langes ungekämmtes Haar und die Bartstoppeln waren eine unbeabsichtigte Tarnung, erweckten sie doch den Anschein achtloser Vernachlässigung des eigenen Äußeren, nicht den einer Verkleidung. Sie reichten aus, dass er sich unbehelligt in der Kathedrale aufhalten konnte.
    Rowland unternahm mit seinem umgebauten Werkzeugkasten mehrere Ausflüge auf das Triforium. Jedes Mal versteckte er verschiedene, halbherzig getarnte Ausrüstungsgegenstände in der Eichentruhe, deckte sie mit alten Kleidungsstücken und Seilen ab und achtete darauf, dass alles so aussah, wie er es vorgefunden hatte. Am Donnerstagabend um elf war er bereit. Er hatte Fluchtwege ausgekundschaftet und seine Sichtverhältnisse unter Berücksichtigung der Trompeter geprüft.
    Er kehrte in seine Unterkunft zurück, duschte, rasierte sich, schnitt sich die Haare und fühlte sich zum ersten Mal seit Monaten entspannt und frisch. Er beschloss, auszugehen und sich vor dem Essen in einem Pub am Stadtrand noch ein frisch gezapftes Bier zu gönnen. Er bemerkte weder die neugierigen Blicke des Wirts noch das Murmeln der Kellnerin. Die Vorbereitungen in der Kathedrale waren minutiöse, anstrengende Arbeit gewesen, unter dem konstanten Risiko, entdeckt zu werden. Er fand, dass er sich etwas Entspannung gönnen konnte, bevor der Countdown begann.
    Er nahm sein Glas mit in den Biergarten und setzte sich im spitzen Winkel zur Sonne, mit dem Rücken an einer Rauputzwand, wo hellrote Beeren die Sommersonne aufsogen. Bienen summten um ein paar verspätete Lavendelblüten, der Verkehr in der Stadt beschränkte sich auf ein leises Summen. Er döste.
    Als sich eine Katze an seinem Bein rieb, schreckte er aus seinem Schlummer hoch und griff instinktiv nach dem Messer, das er im Gürtel stecken hatte. Das Bier, das er nicht angerührt hatte, war schal geworden. Er schüttete es über die Mauer hinter sich und beschloss, noch ein kleines zu bestellen, um sich zu erfrischen.
    Er ging instinktiv leise und nahm seinen Werkzeugkasten mit. So entspannt er war, er öffnete die Tür dennoch vorsichtig. Gesprächsfetzen von der Bar drangen zu ihm herüber. Er hatte drei Schritte in den Durchgang zwischen Tür und Schankraum gemacht, als er wie angewurzelt stehen blieb.
    «… nein, ganz sicher bin ich nicht, dass er es ist, aber er sieht ihm ähnlich … etwa eins neunzig groß, ja dunkelhaarig … sieht nicht jünger aus als auf Ihrem Bild.»
    Rowland drückte sich an die Wand und atmete tief und gleichmäßig. Plötzlich war ihm klar, was für ein Narr er gewesen war, einfach davon auszugehen, dass die Polizei nicht wusste, wer er war. Wie hatte er nur herumspazieren und eindösen können – so dass der dicke Wirt Zeit hatte, seinen Mut zusammenzunehmen und die Polizei anzurufen! In völliger Stille machte er kehrt, verfolgte das Gespräch an der Bar aber weiter.
    «… ja, immer noch hier im Garten.» Er spürte, wie sich der Mann zu dem Durchgang umdrehte, und erstarrte, weil ihm bewusst war, dass die Sonne den Schatten seiner Beine und des Werkzeugkastens auf den Boden warf. Der Schatten hatte eine abstrakte, nicht menschliche Form. Wenn er reglos blieb, fiel er vielleicht nicht auf. Wenn doch, blieb ihm keine Wahl, als den Mann zu töten, falls er nachsehen kam. Er spannte die freie Hand, um sich auf den Schlag vorzubereiten.
    Der Augenblick verging. Er hörte, wie sich der Mann wieder umdrehte; seine Stimme wurde leiser. Rowland schlich in den Garten hinaus, bückte sich, um sein Glas abzustellen, besann sich und verstaute es in dem fast leeren Werkzeugkasten. Den rauen Holzstuhl wischte er samt dem Tisch mit dem Ärmel ab. Dann ging er zu der schwarzen Tür zurück und wischte hastig auf beiden Seiten Lack und Klinken ab. Er konnte sich nicht erinnern, ob er

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