Requiem für eine Sängerin
die von den engen Jeans schmerzhaft gequetscht wurde. Melanie, die sich immer noch als anständiges Mädchen betrachtete, sah sich hastig um, war aber ziemlich sicher, dass niemand etwas mitbekommen hatte.
Sie nahm ihre Hand weg und antwortete in einem beißenden Ton, der für ihre Beziehung ganz und gar ungewöhnlich war: «Mir fällt eben auch nichts ein. Warum bestellst du uns nicht noch was zu trinken und beruhigst dich wieder?»
«Ich werd so auf gar keinen Fall zur Bar gehen. Geh du, du bist sowieso dran.»
Melanie gab ihr letztes Essensgeld für ein Bitter und einen großen Wodka Tonic aus und versuchte, nicht an das offene Fenster im Erdgeschoss des Musiktrakts zu denken. Vor ein paar Stunden, als sie sich genau die Szene ausgemalt hatte, die sich nun tatsächlich unter den desinteressierten Blicken der donnerstagabendlichen Stammgäste abgespielt hatte, war ihr das genial erschienen. Immerhin wären sie dort im Trockenen gewesen, aber jetzt war sie eigentlich gar nicht mehr in der Stimmung. Die Machoromantik war dahin; sie war enttäuscht von Ron und kam sich benutzt, missbraucht und ganz und gar nicht sexy vor.
Das Töten hatte ihm keinen Spaß gemacht, wie immer, aber es war notwendig gewesen, und sie hatte es verdient. Am Ende, als er ihr den Namen ins Ohr flüsterte, hatte er gesehen, wie ihr Blick klar wurde und sie versuchte, ihn anzuschauen. Ich verstehe, hatte dieser Blick zum Ausdruck gebracht. Sie hatte seinen brutalen Überfall als das akzeptiert, was er war, die späte Sühne für Verbrechen der Vergangenheit.
Nun sah er sich gezwungen, ihrem Körper Gewalt anzutun, und das stieß ihn ab. Das hatte sie nicht verdient. Dennoch machte er sich stumm und zielstrebig mit dem Messer zu schaffen, um ihre Kleidung zu zerfetzen. Es hatte keinen Sinn, sie zu verstümmeln – er wusste, die Gerichtsmediziner würden feststellen können, dass ihr die Verletzungen post mortem zugefügt worden waren, und er wollte den Eindruck eines Mörders erwecken, der es nur auf Geld und sexuelle Befriedigung abgesehen hatte.
Er zerschnitt ihren Rock und schob das Messer unter die elastischen Bünde von Mieder und Unterhose. Die Klinge war blutverschmiert. Die Fetzen der Wäsche ließ er auf ihrem nackten Unterleib liegen, sodass sich die Locken ihres Schamhaars an den Rändern kräuselten. Aus dem kleinen Rucksack auf seinem Rücken fischte er eine Zigarettenschachtel und holte ein gebrauchtes Kondom heraus, das er am Morgen von einem bekannten Stelldicheinplätzchen im Wald geholt hatte. Wenn sie mehr als Routinetests durchführten, würden sie das Alter des Samens darin herausfinden können, aber das bezweifelte er. Sie würden mehr daran interessiert sein, die Blutgruppe und den genetischen Fingerabdruck der Probe zu bestimmen. Angewidert drückte er den Inhalt des Kondoms auf ihre bloßen Schenkel.
Der ganze Raum war blutverschmiert. In ihrem Todeskampf hatte sie Boden, Bänke, Wände und sogar die Decke besudelt, hellrotes Arterienblut. Auch er hatte etwas abbekommen, sich aber wohlweislich so gekleidet, dass er keine Spuren hinterlassen würde. Wenn er fertig war, würde er den schwarzen Latexanzug ausziehen und in die Wollhose und die Jacke aus seinem Rucksack schlüpfen. Auch die Überschuhe würde er abstreifen; darunter trug er Turnschuhe. Besser auf Nummer Sicher gehen. Er war zwar von der Kapuze bis zu den Überschuhen geschützt, doch es bestand das Risiko, dass er beim Umziehen seine Straßenkleidung beschmutzte, daher würde er sie später zusammen mit dem Rucksack und allem anderen verbrennen.
Bevor er sich entfernte, blieb ihm als letzte Aufgabe, ihre Handtasche zu durchsuchen; er nahm die Geldbörse, Kreditkarten und Schlüssel mit, wovon ihm nur Letztere etwas nützten. Sobald er sich umgezogen hatte, wollte er in ihrem Haus nach weiteren Beweisen suchen. Es war unwahrscheinlich, dass er etwas fand, aber sein Jagdinstinkt war inzwischen so ausgeprägt, dass er sich eine Gelegenheit, mehr herauszufinden, nicht entgehen lassen konnte.
Der Sturm dauerte an, was ihm ebenfalls zugute kam. An einem solchen Abend würde niemand unterwegs sein. Der Himmel wurde schon jetzt, kurz nach sechs, dunkel, Regenschleier reduzierten die Sichtweite auf praktisch null. Wenn er sich draußen umzog, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte, würde er nass bis auf die Haut sein, ehe er Regencape und Haube überstreifen konnte. Daher schälte er sich in dem engen Vorraum am Fuß der Treppe aus dem blutigen
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