Requiem fuer einen Henker
strengen Blick zu. »Ich habe nur noch eine Frage: Wer hat Sie von dem Fall abgezogen?« Jetzt hatte ich ihn in der Falle.
Seine Augen verengten sich. »Die Frage verstehe ich nicht. Unsere Ermittlungen sind abgeschlossen.«
»Ja, ja, ich verstehe schon. Aber wer hat Ihnen denn befohlen, die Akte zu schließen?«
»Wer soll mir denn das befehlen?« Aufgeregt nestelte er an seiner Krawatte.
»Das genau frage ich Sie.«
Er musterte uns, und auf seinen Wangen bildeten sich hellrote Flecken.
»Herr Beck«, sagte die Baronin sachlich. »Zwei Ihrer Leute wurden angeschossen, ein Dritter erschossen. Das alles ist erst ein paar Stunden her, und Sie wollen uns den Bären aufbinden, der Fall sei erledigt. Es ist ganz offensichtlich, Herr Beck, dass Sie nicht einmal wissen, wer in diesem Fall auf welcher Seite stand.«
»Er weiß wirklich nichts«, sagte ich und stand auf. Nach einem freundlichen Gruß verließen wir das Zimmer. Beck sah uns entgeistert nach. Er war wirklich so dumm, wie er aussah.
Wir ließen uns zu Anna Guttmann fahren, luden unser Gepäck in den Wagen und machten uns auf den Weg in die Eifel. Danach gaben wir am Flughafen den Leihwagen ab. Wir beschlossen, mit unserem Wagen nach Ibiza zu fahren, weil wir damit für etwaige Beobachter oder Verfolger schwerer auszurechnen waren. Bis Straßburg saß die Baronin am Steuer. Ich nahm Rasputins Dossier vor.
»Fangen wir mit Rasputins Bemerkungen zu Lewandowski an. Die erscheinen mir besonders wichtig.
Zu Lewandowski:
Liebe Freunde, eine Bemerkung vorweg: Es ist Nacht, und ich habe nicht genügend Material bei mir, um alles auf seine Richtigkeit zu prüfen. Ich schreibe Ihnen auf, was ich im Kopf habe, und wenn es Ihnen zuweilen nicht wohlgeordnet erscheint, so denke ich doch, dass Sie sich ein genaues Bild machen können. Viel Spaß, Pjotr.
Nun also zu Lewandowski: Hermann Josef Schmitz, alias Dr. Joachim Steiner, alias Breuer, alias Alfred Lewandowski etc. Wir haben seit 1976 festgestellt, dass er über mindestens acht weitere falsche Identitäten verfügt, alle ausgestattet mit Reisepass und Personalausweis sowie einer kompletten Legende. Geboren wahrscheinlich 1942 in Leverkusen. Die Stadt verfügt über keinerlei Unterlagen mehr, da sie, seit Lewandowski als Henker arbeitete, aus allen Archivierungen entfernt worden sind. (Das gilt im Übrigen auch für Reimer und Strahl!). Diente im Alter von achtzehn Jahren nach Realschulabschluss als Funker bei der Bundeswehr. Dann zur Kriminalpolizei nach Düsseldorf. Dort die Ressorts Betrug, Fahndung, Mord. Wird nach unseren Erkenntnissen 1965 nach Dortmund versetzt. Dort im 14. K. (politische Polizei). Fällt unangenehm auf durch brutales Verhalten gegenüber Festgenommenen. Merkwürdiger Selbstmord seiner Verlobten, Angelika Würzner, damals sechsundzwanzig Jahre. Die Frau legte sich in eine mit Wasser gefüllte Badewanne und legte offene Strompole ein. Ein Gerichtsmediziner kommt zu dem Schluss, dass die Frau bereits tot war, ehe sie ins Wasser geriet. Keine Verhandlung. Lewandowski wird in das Schulungszentrum des Verfassungsschutzes nach Köln versetzt. Zunächst Fahndungsabteilung, dann >scharfer Mann< bei der Schulung des Nachwuchses. Vertritt privat die These, dass bei >Staatsfeinden< grundsätzlich Eliminierung überlegt werden sollte. Ab 1970 in Köln nicht mehr feststellbar. 1977 wird ein Mann getötet, der über seine Arbeit in einem Atomkraftwerk Aussagen machen wollte. Zeugen weisen auf Lewandowski als Täter hin. Von diesem Zeitpunkt an ist der Genannte in Bonn feststellbar, allerdings ohne erkennbare Anbindung an irgendein Amt. Seine Funktion als Henker bestätigt sich gegen Ende 1978. Schriftliche Unterlagen existieren nicht, Auftraggeber sind nicht feststellbar. Verdeckter Einbruch in seine private Wohnung in der Joachimstraße in Bad Godesberg fördert nichts zutage. Das ist der Text zu Lewandowski. Ist irgendetwas unklar?«
»Nein«, sagte sie. »Ich möchte bloß wissen, wer Lewandowski zum Henker gemacht hat.«
»Jetzt zu Georg Reimer: Alias Gig Reimer, alias Wolf von Krakau, alias Kühn von Kühningen etc. Vorhanden und nachgewiesen sechs weitere Identitäten samt Pässen und kompletten Legenden. Tatsächlicher Name dokumentarisch nicht belegbar, aber wahrscheinlich als Kurt Meier im Jahr 1960 in Donaueschingen als Sohn einer nichtverheirateten Lehrerin namens Ruth Meier geboren. Besonderes über Ruth Meier nicht bekannt. 1977 ist feststellbar, dass der Genannte wegen Folterung einer
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