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Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Titel: Rescue me - Ganz nah am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Koch
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erschrak. „Hä, was? Oh. Moment. Okay. Ryan, wo bist du mit deinen Gedanken? Pass gefälligst auf!“, übersetzte er, ohne nachzudenken.
    Die Klasse schwieg zwei Sekunden, dann brandete lautes Gelächter auf. „Ist der blöd!“, wieherte Kelly, drehte sich um und zeigte ihm einen Vogel.
    Er klammerte sich an seinen Stift und wünschte sich weit, weit weg. Mrs. Escalona zog nur süffisant lächelnd die Augenbraue hoch. „No lo olvides!“ Vergiss es nicht!
    Ryan zog die Schultern noch höher. „No. No voy a olvidar, Mrs. Escalona”, murmelte er leise. Das würde er bestimmt nicht wieder vergessen.
    „Er ist so ein Spinner!“ Joey schmiss ihm ein zerknülltes Blatt Papier entgegen, es landete auf seinem Pult und flog dann zu Boden.
    „Ja. Hast du gesehen, wie Scheiße der aussieht? Der hat bestimmt den Fußboden geküsst!“ Das war Pamela. Sie war der unattraktive, aber dafür um so schlauere Anhang des Captains des Baseballteams. Der hatte nichts anderes zu tun, als sie nach Strich und Faden mit ihren ‚Freundinnen‘ – allen voran Kelly – zu betrügen, während sie ihm die Referate ausarbeitete, die er brauchte, um nicht aus dem Team zu fliegen. Sie stieß Nancy an und beide grinsten hämisch.
    „Der Boden wird wohl das Einzige sein, was der jemals küsst!“ Wieder Kelly. „Wer will schon was von so einem Idioten!“ Alle lachten.
    „¡Paz!La paz al instante!“ Mrs. Escalona drehte sich zur Klasse um. „Ruhe! Sofort Ruhe!“, rief sie noch einmal und langsam verebbten Gelächter und Spötteleien. „Wir wollen weiter arbeiten. Joey übersetze die restlichen Vokabeln. Ich hoffe, du hast geübt.“
     
     
    *
    Ryan suchte sich einen Platz ganz hinten an den Tischen der Cafeteria. Dort, wo die Nerds und Sonderlinge der Schule rumhingen. Er selber sah sich vielleicht nicht so, doch die anderen taten es auf jeden Fall. Aber hier hinten war er sicher. Hier würden sie ihn in Ruhe lassen. Nerd-haftes Verhalten galt als hochansteckend.
    Er stach den Strohhalm in seinen Fruchtsaft. Vorne an dem Tisch, wo all die beliebten Kids hockten, ertönte lautes Gelächter. Er wusste, Kelly und Joey gaben gerade die spanische Blamage zum Besten. Sie würden es ausschmücken und vorführen, immer und immer wieder, solange, bis ein anderer Nerd etwas anderes Peinliches tat.
    Noch ein Jahr. Ein unendlich langes Schuljahr. Dann würde es endlich vorbei sein. Er würde seine Koffer packen und an irgendein College verschwinden. Kunst. Das wollte er studieren. Business, wenn es nach seiner Mom ginge. Er seufzte leise. Ob er es schaffen würde, sich gegen sie durchzusetzen? Wohl kaum. Vielleicht konnte er Kunst im Nebenfach studieren.
    Er spielte mit dem Strohhalm herum, hing seinen Gedanken nach, als er bemerkte, wie es um ihn herum immer leiser wurde. Als er hoch schaute, sah er, wie eine düstere Gestalt im schwarzen Ledermantel langsam zwischen den Tischen hindurchgeschritten kam. Es war Tyler.
    Überall, wo er vorbei kam, verstummten schlagartig sämtliche Gespräche, brach jegliches Gelächter ab. Köpfe wurden eingezogen, einige Schüler bekreuzigten sich sogar. Es war komisch – und gruselig zugleich.
    Komisch war, dass alle Schüler Angst vor Tyler hatten, obwohl der nichts tat, um diese Angst zu rechtfertigen. Außer in extrem gruseligen Outfits herumzulaufen, wie Ryan zugeben musste.
    Grufti-Style.
    Aber nicht bloß ’ne schwarze Hose und schwarzes Rüschenhemd übergeworfen und ein bisschen Kajal á la Jack Sparrow um die Augen gepinselt – nein! Was Tyler meistens trug, war eine ganz andere Nummer. Es war eher Marilyn Manson. Hardcore.
    Schwarzer Ledermantel, der fast bis auf die Erde reichte. Klobige Springerstiefel. Eine Hose, die heute über und über mit silbernen Schnallen verziert war. Dazu ein Oberteil, das ein ganz besonderer Hingucker war. Glänzend-schimmerndes, eng anliegendes Stretchmaterial mit Fishneteinsätzen, unter denen man eine gepiercte Brustwarze hervorblitzen sah. Alles war natürlich – na? Schwarz. Um Hals, Taille und Handgelenke trug er breite Lederriemen, mal mit mehr oder weniger gefährlich aussehenden Nieten. Dazu kamen Ketten, gerne auch Sicherheitsnadeln im Ohrläppchen, ein weiteres Piercing in der Lippe. Im Haar trug er heute eine Schweißerbrille, so, wie andere Leute ihre D&G Sonnenbrillen.
    Richtig gruselig war aber, was er mit seinem Gesicht veranstaltete.
    Kalkweiße Schminke, mit schwarz angemalten Augen und Lippen und – das war am allerunheimlichsten – die roten

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