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Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Titel: Rescue me - Ganz nah am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Koch
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War vielleicht etwas verdreckt. Der Vergaser war es auf jeden Fall, dessen war er sich sicher.
    „Und Big Eddy hat ihn dir einfach so überlassen?“
    Big Eddy war der Gebrauchtwagenfritze. Ein fetter Typ, dem der dicke Schmerbauch weit über den Gold beschnallten Gürtel hing. Dazu kam noch ein schmieriges Grinsen unter einer borstigen Rotzbremse, hässliche Aufzüge im Western Style samt protzigem Stetson, Fransenhemd und Cowboystiefel und die unvermeidliche Rolle Dollarnoten – fertig war das Klischee vom windigen Gebrauchtwagenhändler.
    „Na ja, für achthundert Dollar“, antwortete Tyler.
    „Wie? So wenig?“, fragte Ryan ungläubig. „Neulich hab ich gelesen, alte Mustangs bekommt man nicht unter zweitausendfünfhundert. Und deren Zustand war noch schlechter, als dieser hier. Ein Shelby GT500 für …“
    „Big Eddy pennt mit meiner Alten“, warf Tyler lakonisch ein.
    „Oh.“ Ryan verstummte. „Aber … der ist doch verheiratet …“, setzte er an.
    „Sicher, Dummkopf. Deswegen war’s so billig, klar? Bin rein, hab gesagt, was ich will … und er gab mir die Schlüssel.“ Tyler zuckte die Achseln. „Alles ganz legal.“
    Ob das so legal gewesen war, da hatte Ryan seine Zweifel. Irgendwie klang es nach Erpressung. Doch als er sich im Innenraum umsah, verflogen seine Bedenken schnell wieder. So ein toller Wagen!
    Vorsichtig strich er über die schmierige, nikotinverklebte Seitenverkleidung. Die Scheibe klemmte auf halber Höhe, unter seinem Hintern konnte er die ausgeleierten Sprungfedern fühlen. Aus dem Fußraum stieg ein muffiger Geruch auf, aber seine Bewunderung konnte es nicht schmälern. Schnell überschlug er die Arbeitsstunden, die Tyler hier hineinstecken musste.
    „Du weißt schon, dass eine Menge Arbeit auf dich wartet, ja? Gar nicht zu reden, was der Spaß kosten wird.“
    Darauf bekam er von Tyler keine Antwort. Anscheinend hatte der sein Quantum Worte für heute aufgebraucht. Stumm kutschierte er ihn durch die Straßen, bis in die Siedlung, in der er mit seiner Mom wohnte. Als er schon ausgestiegen war, beugte Tyler sich noch einmal zu ihm rüber.
    „Du wirst mir dabei helfen. Morgen.“ Dann gab er ordentlich Gas und brauste mit quietschenden Reifen davon.

 
Vier
    Ich fischte einen Joint aus dem Tütchen, zündete ihn an und inhalierte tief. Behielt den Rauch so lange in den Lungen, wie ich es aushalten konnte. Dann ließ ich ihn langsam entweichen. Guter Stoff, dachte ich. Auf Carlos, den ortsansässigen Dealer, konnte man sich verlassen. Schon fühlte ich, wie ich mich endlich etwas entspannte.
    „Was zur Hölle tu ich eigentlich hier?“, murmelte ich kopfschüttelnd und sah mich in dem Mustang um. Seit ich den Wagen in die Garage gefahren hatte, saß ich hier, im Dunkeln. Rauchend. Nachdenkend. Ein weiteres Mal zog ich an meinem Joint und blies den Rauch gegen den Dachhimmel. „Kann’s mir mal jemand erklären?“
    „Mir scheint, du gibst dich dem Genuss von illegalen Substanzen hin, mein Sohn.“
    „Ich rauch ’n Joint. Na und?“ Die Stimme meines Vaters zu hören beunruhigte mich nicht. Warum auch? Schließlich hörte ich sie nicht zum ersten Mal. Dad unterhielt sich immer mit mir, wenn ich nicht schlafen wollte. Nicht die Augen schließen mochte, weil dann wieder dieses eine Bild in meinem Kopf auftauchte.
    Der abgerissene, blutverschmierte Arm, der über dem zersplitterten Armaturenbrett lag, wie eine gruselige Dekoration zu Halloween. Es war Dads Arm gewesen, der linke. Ich hatte es an der Tätowierung erkannt. Ein Dolch, um den sich eine Schlange herumwand. Die dunkelroten Augen der Schlange starrten mich an, während Dad mir versprach, dass alles wieder gut werden würde. Diese Augen hielten meinen Blick fixiert, während mich Dads immer schwächer werdende Stimme beschwor, nicht schlappzumachen. Durchzuhalten.
    Bis die Stille wiederkehrte.
    Jene Lautlosigkeit, die mir so unwirklich vorgekommen war, nach all dem Lärm, den kreischendes, zerfetzendes, auseinanderreißendes Blech, berstendes, zerspringendes Glas und schmerzerfüllte Schreie verursacht hatten. Diese merkwürdige Ruhe, die folgte, nachdem der Hot Rod mit einem dumpfen Schlag gegen den Baum geprallt war.
    Nacht für Nacht hatte ich dann in der tröstenden Geborgenheit der Garage gesessen und ihr gelauscht. Dieser tiefen, sonoren Stimme, die die unheilvolle Totenstille vertrieb, die sich in meinem Kopf eingenistet hatte. Bis ich endlich schlafen konnte.
    Ich lächelte wehmütig. Flying Lafferty.

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