Rescue me - Ganz nah am Abgrund
Kontaktlinsen, in deren Mitte sich schwarze Pentagramme befanden. Dass er sein Haar lang und schwarz trug, verstand sich wohl von selber. Er hätte eher nach New York oder besser nach Hollywood gepasst, als in diese spießige Kleinstadt. Es wunderte Ryan immer wieder, dass Direktor Maybury Tyler erlaubte, so in der Schule herumzulaufen.
Gespannt verfolgte er, wie Tyler immer näher kam. Was wollte er hier? Tyler betrat niemals die Cafeteria. Ryan rutschte unbehaglich auf dem Plastikstuhl hin und her. So wie es aussah, kam der Prinz der Finsternis, der stadteigene Satanist, ohne Umweg auf ihn zu.
Direkt vor Ryan blieb er stehen und warf etwas auf die Tischplatte. Reflexartig griff er danach, um es sofort auf sein Tablett fallen zu lassen. Sicher war sicher. Tyler sah ihn nur an, dann drehte er sich wortlos um. Genauso langsam, wie er gekommen war, schritt er wieder hinaus. Die Tür zur Cafeteria hatte sich schon längst hinter ihm geschlossen, als erstes zaghaftes Gemurmel einsetzte.
Ryan kümmerte sich nicht darum. Misstrauisch betrachtete er den zusammengefalteten Zettel. Was hatte das zu bedeuten?
Er zögerte, doch dann griff er nach dem Papier und faltete es auseinander.
Warte nach der Schule stand da. Unterschrieben war es nicht, nur mit einem roten Pentagramm unterzeichnet. Warum? Was wollte Tyler nach der Schule von ihm?
„Lass mal sehen.“ Norman, der größte Computernerd der Schule, beugte sich vom Nachbartisch her zu ihm rüber. Er zog den Zettel zu sich, las die Botschaft und nickte dann zufrieden. „Wie ich es mir gedacht habe. Dies hier ist kein satanisches Pentagramm.“ Er rückte seine schwere Brille zurecht und schob ihm das Papier wieder zu.
„Hä? Was willst du damit sagen?“ Ryan verstand nur Bahnhof. Satanszeichen war Satanszeichen. Oder nicht? „Gibt es da Unterschiede?“
Norman grinste von einer pickeligen Pausbacke zur anderen. Die wässrig blauen Augen schienen hinter den dicken Brillengläsern doppelt so groß.
„Natürlich gibt es da Unterschiede“, erklärte er mit seiner Dozentenstimme. „Dieses Pentagramm ist ein Schutzzeichen. Wäre es satanisch, würde es auf dem Kopf stehen. Ungefähr so.“ Er begann, mit dem Kuli, den er aus seinem Mäppchen gezogen hatte, auf dem Stück Papier herumzukritzeln. „Siehst du den Unterschied? Ein echter Satanist würde diesen Fehler niemals machen.“
Ryan sah, was er meinte, doch wusste er nicht, was es bedeuten sollte. „Und das soll heißen?“
„Soll heißen, Tyler Lafferty ist genauso wenig Satanist, wie ich Mr. Beachboy bin.“
*
Der Rest des Schultages verlief ohne weitere Vorkommnisse. Als Ryan mit den anderen Schülern hinaus auf den Schulhof gespült wurde, sah er sich nach allen Seiten um. Kein Tyler. Nirgends war die
kalkweiß geschminkte Gestalt in schwarzem Leder zu sehen. Er seufzte. Das wäre ja auch was gewesen! Schnell lief er in Richtung Haltestelle. Jetzt war er wieder zum Busfahren verdammt. Wie ein Sechstklässler! Dank diesen beiden Vollhorsten Allen und Bobby, dachte er stinkig. Ein neues Rad konnte er sich abschminken. Bestimmt ginge er eher aufs College, bevor er …
Lautes Motorendröhnen riss ihn aus den finsteren Gedanken. Dumpfes Grollen – ein durchgerosteter Auspufftopf, schoss ihm spontan durch den Kopf. Suchend sah er sich um. Mitten durch die Menge, die auf dem Weg zu den Autos oder zum Bus waren, pflügte langsam ein schwarzes Ungetüm auf ihn zu.
Stumpfer, ausgeblichener Lack. Einer der beiden charakteristischen runden Scheinwerfer hing an einem Kabel herunter, der andere war zerbrochen, der galoppierende Mustang fehlte. Und auch sonst machte der Wagen keinen vertrauenserweckenden Eindruck.
Ryan aber stand da wie angenagelt, sperrte Augen und Ohren auf, und konnte sich nicht von der Stelle bewegen.
Dieses Auto. Ein 67er Shelby GT500. Ein Fastback. Sein Traumwagen!
Fast vor seinen Füßen hielt er an, grollte im Leerlauf. Das Seitenfenster senkte sich und – er wollte es kaum glauben – Tyler sah heraus, im Mund die allgegenwärtige Kippe. „Lust auf eine Spritztour?“
„Oh mein Gott!“, rief Ryan, vor Überraschung völlig aus dem Häuschen. „Oh Mann! Ein Shelby GT … Wo hast du den her?“ Er hastete zur Beifahrertür und schwang sich hinein.
„Wahnsinn! Rote Sitze. Ich werde verrückt! Gehört der dir? Ein Fastback! Wo hast du den her, sag schon!“
„Aus Big Eddys Garage.“ Tyler gab langsam Gas. Der Motor war absolut in Ordnung, das konnte Ryan hören.
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