Rescue me - Niemand wird dich schützen
wurde.«
»Mich wundert, dass ihr Stiefvater sich nicht bei dir gemeldet hat … oder die Polizei?«
Jordan schüttelte den Kopf. »Ich arbeitete unter strengster Geheimhaltung. Einzig meine unmittelbaren Vorgesetzten kannten meinen Aufenthaltsort, und die hätten es niemandem erzählt. Dass Devon vermisst wurde, hatte keiner bemerkt, bis ihre Mitbewohnerin vom College anrief
und sich nach Devons Verbleib erkundigte. Erst nach diesem Anruf wurde die Polizei eingeschaltet.«
Seit Jahren hatte sie nicht mehr an ihre Mitbewohnerin Mindi Simpson gedacht. Neben ihr hatte sie sehr wenige Freundinnen gehabt, denn Devon war geradezu krankhaft schüchtern gewesen.
»In dem Zusammenhang erfuhr ich auch, wie alt sie tatsächlich gewesen war, und weshalb sie nicht abgestritten hatte, in einer Therapie zu sein. Die machte sie allerdings aus völlig anderen Gründen, als Alise behauptet hatte.«
Eden war klar, dass es merkwürdig wirken würde, sollte sie sich nicht nach dem Grund erkundigen, deshalb murmelte sie: »Aus welchen Gründen?«
Unvermittelt sprang Jordan auf. Offenbar war es ihm unmöglich, diese Erinnerungen noch einmal heraufzubeschwören und gleichzeitig stillzusitzen. »Als Devon fünf oder sechs Jahre alt war – Henry erinnert sich nicht mehr ganz genau -, hat Alise sie bestraft, weil sie Traubensaft auf Alises Kleid verschüttete, bevor die zu einer Party gehen wollte. Sie sagte dem Babysitter ab, schloss Devon in einen Wandschrank und ging. Anscheinend blieb sie die ganze Nacht über fort. Henry kam am nächsten Nachmittag von einer Dienstreise zurück und fand Devon halb bewusstlos in dem Wandschrank vor. Seitdem litt sie an Klaustrophobie und Achluophobie – Angst vor Dunkelheit.«
Ja, sie kannte den Fachbegriff. Zu hören, wie Jordan die Grausamkeit ihrer Mutter beschrieb, hatte beinahe etwas Kathartisches. Alise Stevens war wirklich ein durch und durch böser Mensch gewesen …
Jordans Stimme riss sie in die Gegenwart zurück.
»Ich bin zur Polizei gegangen und habe mit dem zuständigen
Detective gesprochen. Devons Foto war überall veröffentlicht worden, und Henry hatte dazu eine beträchtliche Belohnung ausgesetzt. Alle, die Devon kannten, waren von der Polizei befragt worden, und man hatte wirklich alles unternommen, um sie zu finden. Doch irgendwann wurde sie zu einem weiteren Posten in der Statistik. Ich denke, sie kamen nach allem, was Devon durchgemacht hatte, zu dem Schluss, dass sie weggelaufen war und einfach nicht gefunden werden wollte.«
Das passte hervorragend zu der Akte, die Eden zusammengestellt hatte. Warum empfand sie trotzdem keine Erleichterung, dass es so einfach sein würde, Jordan von ihrer erfundenen Geschichte zu überzeugen?
»Ich konnte das nicht glauben. Die Devon, die ich kannte – nicht die, mit der ich geschlafen hatte, sondern das junge Mädchen -, war eine Kämpferin. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie einfach davonlief. Sie war sehr verletzt, als sie in der Nacht mein Haus verließ, aber ich sah das Feuer in ihren Augen. Natürlich ist das nichts weiter als ein Gefühl, doch ich bin fast sicher, dass sie mir etwas Zeit zum Abreagieren geben und dann wiederkommen wollte.«
Eden hielt den Kopf gesenkt und spürte ein leichtes Zucken in ihrem Mundwinkel. Ja, er hatte ihr Verhalten richtig gedeutet.
»Was passierte danach?«
»Ich nahm mir unbezahlten Urlaub.«
»Hast du?«, fragte sie und konnte ihre Verwunderung nicht verbergen.
Jordan nickte. »Ich dachte, bei meiner Erfahrung und meinen Kontakten könnte ich tun, wozu die Polizei nicht in der Lage gewesen war. Zunächst vollzog ich jeden ihrer
Schritte nach. Dank meiner Regierungskontakte hatte ich Zugang zu sämtlichen Akten. Was jedoch leider nichts nützte. Devon hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst. Nach sechs Monaten gab ich auf und kehrte zu meiner Arbeit zurück.«
Sechs Monate lang hatte er nach ihr gesucht! Eden konnte kaum fassen, was sie hörte. Noah hatte zwar angedeutet, was Jordan alles unternommen hatte, aber sie war zu dem Zeitpunkt so wütend darüber gewesen, dass Noah ihn engagierte, und deshalb gar nicht richtig bei der Sache.
»Hast du Grund zu der Annahme, dass dir oder der Polizei irgendetwas entgangen ist?«
»Tja, wenn ich das wüsste! Als ich merkte, dass mich meine Suche nicht weiterbrachte, wandte ich mich an das LCR-Büro in Washington, D.C. Ich hoffte, dass sie mir helfen könnten. Aber das war leider nicht der Fall.«
Eden war bestürzt, denn
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