Rescue me - Niemand wird dich schützen
damit?«
»Henry wusste, was für eine Mutter Alise war. Sie weigerte sich, ihn Devon adoptieren zu lassen, also blieb er, um sie zu beschützen. Er bestand sogar darauf, dass sie erst in ein Internat und später auf ein College ging, die beide Hunderte Meilen entfernt waren, um sie so von ihrer Mutter fernzuhalten.«
Erneut blickte Eden auf ihre Notizen, die sie jetzt allerdings ein bisschen verschwommen sah. Wie oft hatte sie schon überlegt, Henry anzurufen? Unzählige Male. Und dennoch hatte sie es nie getan. Sie blinzelte ihre Tränen fort. Wie in aller Welt könnte sie Jordan das jemals erklären?
Sie bemühte sich um eine möglichst feste Stimme, als sie fragte: »Also, Devons Mutter war ein schlechter, ihr Stiefvater hingegen ein guter Mensch. Was hat das mit Alises Anrufen bei dir zu tun?«
»Alise hatte seit Jahren versucht, mich zu verführen. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft sie sich irgendwelchen Blödsinn ausdachte, um mich zu sich zu locken, wenn Henry nicht in der Stadt war.«
Himmel, wollten die Überraschungen denn gar nicht enden? Sie hatte mit Informationen gerechnet, die sie längst kannte und sich bloß anhören würde, damit Jordan nicht misstrauisch wurde. Dass sie Dinge erfuhr, die sie nicht einmal geahnt hatte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen.
»Ich rief sie nur zurück, weil ihre Nachrichten auf dem Band so wütend klangen.«
»Und was sagte sie?«
»Sie erzählte mir, dass mehrere Leute bei ihr angerufen
hätten, weil sie mich zusammen mit Devon die Party verlassen sahen. Zuerst leugnete ich, aber sie beschrieb mir, wie verändert Devon inzwischen aussah, und da wusste ich, dass sie ausnahmsweise einmal nicht log. Na ja, und als Devon dann sehr spät nach Hause kam, zählte Alise eins und eins zusammen. Sie behauptete, dass Devon schon bei mehreren Freunden der Familie plumpe Annäherungsversuche unternommen hätte … und dass sie in psychiatrischer Behandlung sei.«
Mit einer Bitterkeit, bei der Eden eiskalt wurde, ergänzte er: »Dann drohte sie mir, mich wegen Unzucht mit einer Minderjährigen anzuzeigen.«
Der letzte Satz traf Eden wie ein heftiger Schlag in den Magen.
Sie räusperte sich. »Soweit ich von Noah weiß, war das gelogen, denn Devon muss bereits einundzwanzig gewesen sein.«
Zum Glück schien Jordan zu denken, dass sie nur wegen dieser Lüge entsetzt war. Er konnte ja nicht wissen, dass sie erst jetzt verstand, warum er so zornig reagiert hatte, als sie damals wieder vor seiner Tür stand.
Dann fiel ihr etwas ein. »Ich dachte, du kanntest die Familie schon seit Langem. Wieso war dir nicht klar, wie alt Devon sein musste?«
»Blöd, ich weiß. Ich hatte Devon immer als Kind gesehen, und in meiner Panik habe ich überhaupt nicht nachgerechnet, wie viele Jahre vergangen waren. Wenn ich an Devon dachte, sah ich schlicht das Kind vor mir, das sie gewesen war.«
»Was ist danach passiert? Wie Noah sagte, kam Devon noch einmal zu dir.«
»Ja, kurz nachdem ich mit Alise telefoniert hatte. Sie
wollte mir erklären, warum sie mich getäuscht hatte. Doch ich war so wütend auf sie, so angeekelt von mir selbst, dass ich eine Menge Dinge zu ihr sagte, die ich überhaupt nicht so meinte.«
Eden konzentrierte sich aufs Mitschreiben, denn anders könnte sie die nächsten Minuten unmöglich durchstehen. Was jetzt folgte, fürchtete sie am meisten: die Zerstörung ihres Traums, der Verlust ihrer Unschuld. Es war eine grausam passende Einleitung für das gewesen, was ihr hinterher zugestoßen war.
»Möchtest du noch etwas zu trinken?«
Sie hob den Kopf. »Nein. Warum?«
»Ich weiß nicht. Du bist ein bisschen blass. Geht es dir gut?«
»Ja, natürlich! Ich hatte wohl nur zu wenig Schlaf.« Womit sie dem widersprach, was sie zuvor gesagt hatte, aber das spielte keine Rolle. Sie wollte die ganze Sache hier endlich hinter sich haben.
»Okay, du hast ein paar gemeine Sachen zu ihr gesagt, und sie ist wieder gegangen.«
»Willst du gar nicht hören, was ich gesagt habe?«
Nein, gütiger Gott, nein! »Ich glaube nicht, dass es für den Fall von Belang ist, außer dir ist noch etwas eingefallen, was du Noah gegenüber nicht erwähnt hast.«
»Nein, ich habe ihm alles erzählt. Ehrlich gesagt bin ich sogar froh, wenn ich es nicht wiederholen muss, denn ich bin bestimmt nicht stolz darauf.«
Eden nickte knapp. »Dann machen wir weiter. Was war, nachdem Devon dein Haus wieder verließ?«
»Ich wartete vielleicht zehn Sekunden, bevor ich hinter ihr her bin. Sie
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