Reseph
wollen würde, oder über die Tatsache, dass sie gestern Abend zusammengeklappt war. »Aber vielen Dank. Und danke, dass du Feuer gemacht hast.«
»Ich habe auch schon die Tiere gefüttert und einen Weg zur Scheune freigeschaufelt.«
»Das hättest du nicht tun müssen.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich konnte nicht schlafen. Ich hoffe, es ist okay, dass ich ein paar Stunden im Internet war.«
Beinahe wäre sie vor Schreck zusammengezuckt. »Hast du etwas gefunden? Über dich?«
»Nein, aber ich hab mein Pferdetattoo eingescannt und in einem Skin-Art-Forum hochgeladen, um zu sehen, ob vielleicht jemand die Arbeit wiedererkennt. Bis jetzt hab ich allerdings noch nichts gehört. Außerdem hab ich mich informiert, was im letzten Jahr so alles passiert ist. Dabei sind mir jede Menge Sachen eingefallen. Ich weiß jetzt wieder, wer Präsident ist.« Als er sich mit der Hand durch die Haare fuhr, juckte es sie gewaltig in den Fingern, das an seiner Stelle zu tun. »Komisch ist nur, ich könnte schwören, dass ich mich tatsächlich an Washington erinnere.« Er schüttelte den Kopf. »Aber das Allerabartigste ist, dass ich mich bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese ganze Scheiße angefangen hat, an verschiedene Dinge und Tatsachen erinnere. Und seitdem – gar nichts mehr.«
Sie stellte die Schüssel neben die Spüle und dachte über den Monat nach, den sie selbst im Koma verbracht hatte. Als sie allein und verwirrt in einem Krankenhausbett aufgewacht war, wusste sie nicht mehr, wie sie dort gelandet war. Erst Wochen später war die Erinnerung daran zurückgekommen, und in vielerlei Hinsicht wünschte sie, das wäre nie geschehen.
»Vielleicht wurdest du verletzt und hast im Koma gelegen oder so.«
Seine Miene war besorgt. »Vielleicht. Aber das erklärt immer noch nicht, wie ich nackt und halb erfroren auf dein Grundstück gekommen bin. Und was, wenn die Erklärung dafür, dass ich mich an nichts erinnere, etwas viel Schlimmeres als ein Unfall oder ein Koma ist?«
»Was denn? Dass irgendwas Grauenhaftes passiert ist, das du verdrängst? So eine Art posttraumatische Stressstörung?«
»Ich weiß auch nicht.« Er stieß sich vom Küchentresen ab und begann auf- und abzugehen. »Es ist fast so, als ob da in meinem Kopf eine Mauer wäre, die meine Vergangenheit einschließt, und wenn ich nur da hindurchbrechen könnte, würde ich mich an alles erinnern. Es ist alles da … Ich kann’s beinahe berühren.« Er schüttelte den Kopf. »Doch dann krieg ich das Gefühl, dass ich das vielleicht gar nicht will.«
»Das kann ich dir nachfühlen«, murmelte sie. »Das kann ich dir so was von nachfühlen.«
»Was ist passiert?« Reseph legte ihr die Hände auf die Schultern. Ihr stockte der Atem. Er war so behutsam, so zärtlich, trotz seiner gewaltigen Kraft. »Du hast letzte Nacht im Schlaf geschrien.«
Sie unterdrückte ein Stöhnen. »Das muss die Aufregung wegen der Wilsons gewesen sein.«
»So ein Quatsch.« Trotz der harschen Worte klang seine Stimme sanft. »Es war ein Albtraum, und das nicht zum ersten Mal.«
»Das kannst du gar nicht wissen«, platzte es aus ihr heraus – viel zu defensiv.
Reseph ließ die Hände sinken, doch er rührte sich nicht vom Fleck. »Ich hab dich gehört, als ich auf der Couch geschlafen habe.«
Davor konnte sie nicht davonlaufen, aber von ihm konnte sie sich durchaus entfernen. Sie ging auf die andere Seite der Küche und begann, den Tresen abzuwischen. »Jeder hat mal Albträume.«
»Aber du musst nicht allein sein, wenn du aus ihnen erwachst.«
Die Art, wie er das sagte, voller Gefühl, legte sich wie Balsam um ihr Herz. Eine seltsame Spannung entstand zwischen ihnen, als ob es ihnen beiden nicht recht wäre, wie ihre Beziehung sich entwickelte. Und zwar viel zu schnell, zumindest was Jillian anging. Sie wollte keine Beziehung, aber sie konnte auch nichts gegen ihre Gefühle ausrichten. Und je mehr Zeit sie mit Reseph verbrachte, umso mehr mochte sie ihn. Umso mehr sehnte sie sich nach dem Gefühl, das er in ihr auslöste.
Wechsel das Thema. Und zwar schnell.
Sie stemmte die Hände in die Hüften und verdrehte die Augen in gespieltem Widerwillen. »Du lässt aber auch keine Gelegenheit aus, zu versuchen, dich in mein Bett zu schleichen!«
Langsam begann er zu lächeln. »Jilly, du kennst mich einfach zu gut.«
Sie zuckte zusammen. Niemand hatte sie mehr Jilly genannt, seit sie aus den Windeln war. Sie schnappte sich die Pfanne vom Herd. »Wenn du mich noch einmal Jilly nennst,
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