Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
die Schatten hinabzusehen, hatten jedoch kein Glück. Der Raum war fast wie eine Laderampe angelegt: Eine geländergesäumte Plattform verlief von der Tür aus entlang der Rückwand und endete dann abrupt, um einer scheinbar endlosen Leere zu weichen. Entweder war Annette hinuntergeklettert und einen geheimen Pfad durch das Dunkel gegangen, oder Claire hatte sich bezüglich ihres Weges geirrt.
Und was jetzt? Zurückgehen oder versuchen, ihr zu folgen?
Sie wollte nichts von beidem – obwohl zurückzugehen tausendmal verlockender zu sein schien, als in einen pechschwarzen Abgrund hinabzusteigen. Und Leon befand sich vermutlich noch irgendwo hinter ihnen …
„Könnte es ein Zug sein? Ist das vielleicht ein Bahnhof?“, überlegte Sherry laut, und kaum hatte das Mädchen „Zug“ gesagt, trat sich Claire in Gedanken herzhaft in den Allerwertesten.
Plattform … Geländer … etwa tausend „Rohre“ unter der Decke …
Claire grinste Sherry an und schüttelte den Kopf über ihre eigene Dummheit – ihr Verstand ließ mehr und mehr zu wünschen übrig, gar kein Zweifel.
„Ja, ich glaube schon“, sagte sie, „aber du hast es erraten, nicht ich. Mein Hirn befindet sich offenbar im Streik … “
Die kleine Computerkonsole an einer Seite der Plattform, die sie vorhin noch als unwichtig abgetan hatte, war vermutlich das Steuerboard. Claire ging darauf zu, Sherry folgte ihr und umklammerte abwesend ihren goldenen Anhänger, während sie die Laute beschrieb, die sie im Abflussbecken gehört hatte.
„… und es bewegte sich von mir fort, so wie ein Zug. Es hat mir auch ganz schön Angst gemacht. Es war laut.“
Unter dem kleinen Bildschirm der Konsole fanden sich ein Rückruf-Befehlscode und eine Zehnertastatur. Claire gab den Code ein, drückte „Enter“ – und der Raum füllte sich mit dem sanften Summen in Gang gesetzter Maschinen: den Geräuschen eines Zuges.
„Du bist ein helles Köpfchen, weißt du das?“, sagte Claire, und Sherry strahlte regelrecht, ihr süßes Lächeln vereinnahmte ihr ganzes Gesicht. Claire legte ihr einen Arm um die Schultern, dann gingen sie zurück zum Rand der Plattform, um zu warten.
Nach ein paar Sekunden tauchten die Lichter des Zuges auf. Der winzige Kreis von Helligkeit wurde größer, während sie ihm entgegensahen. Nach all den Mühen, die hinter ihnen lagen, beschloss Claire, in Anbetracht dieser neuen Entwicklung, so optimistisch zu sein, wie sie nur konnte – in erster Linie, um nicht darüber nachzugrübeln, welcher Schrecken als Nächstes auf sie einstürzen mochte. Der Zug würde sie natürlich aus der Stadt hinausbringen, und er würde bestens ausgerüstet sein mit Essen und Wasser; er würde Duschen haben und frische, warme Kleidung –
– halt, streich das. Lieber ein heißes Bad und ein paar von diesen dicken, flauschigen Bademänteln für danach. Und Hausschuhe …
Klar doch … Aber sie würde sich mit allem zufrieden geben, was nichts mit Monstern und Verrückten zu tun hatte. Sie warf Sherry einen Blick zu und bemerkte, dass das Mädchen immer noch den Anhänger rieb.
„Was ist denn da drin?“, fragte sie und wollte Sherry wieder zum Lächeln zu bringen. „Hast du da ein Bild von deinem Freund, oder was?“
„Da drin? Oh, das ist kein Medaillon“, sagte Sherry, und Claire freute sich, ein schwaches Erröten ihrer Wangen zu bemerken. „Meine Mom gab es mir, es ist ein Glücksbringer – und ich habe keinen Freund. Jungs in meinem Alter sind total unreif.“
Claire grinste. „Gewöhn dich dran, Schätzchen. So weit ich das beurteilen kann, kommen manche nie aus diesem Stadium raus.“
Der Zug war jetzt so nahe, dass sie seine Umrisse ausmachen konnten, ein einzelner Waggon, etwa sieben oder acht Meter lang, fuhr sanft entlang seiner Deckenschienen.
„Was glaubst du, wo der hinfährt?“, fragte Sherry, doch bevor Claire antworten konnte, explodierte die Tür zur Plattform.
Das Schott flog nach innen, wurde mit metallischem Kreischen aus den Angeln gehoben und schlug dröhnend zu Boden!
Claire packte Sherry und zog sie an sich, als der riesige Mr. X den Raum betrat, gebückt und zur Seite gebeugt, um sich durch die Öffnung zu zwängen. Sein seelenloser Blick fiel sofort auf sie.
„Geh hinter mich!“, rief Claire, zog Irons’ Pistole und riskierte einen Blick nach hinten auf den näher kommenden Zug. Zehn Sekunden – sie brauchten noch zehn Sekunden …
Aber X machte einen Riesenschritt auf sie zu, und sie wusste, dass ihnen so viel
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