Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
suchen ihr Heil in Drogen. Nur mit der abendlichen Flasche Rotwein schaffen sie es noch, sich endlich einmal wohlig und frei zu fühlen.
Man braucht schon ein gesundes Selbstbewusstsein, ein Selbstwertgefühl, das nach Art einer Sprungfeder konstruiert ist, oder wenigstens hilfreiche Techniken, um die ständigen Angriffe auf die eigene psychische Gesundheit abwehren zu können. Das Kapitel verdeutlicht, wie sich unterschiedliche Bedrohungen auf die seelische Gesundheit auswirken, und zeigt Menschen, die es trotzdem geschafft haben, aus den so entstandenen Tiefs wieder herauszukommen.
Der tagtägliche Stress
»Ich bin ja so im Stress.« Heute spricht ihn jeder mindestens einmal pro Woche aus, diesen Satz, den vor 75 Jahren noch niemand kannte. Erst 1936 erfand der in Wien geborene Arzt Hans Selye den Begriff Stress, der uns heute so vertraut ist. »Ich habe allen Sprachen ein neues Wort geschenkt«, sagte Selye am Ende seines Lebens. 1700 Fachartikel und 39 Bücher hatte er da bereits über jenes Phänomen verfasst, das zuvor wissenschaftlich nicht beschrieben worden war. Gleichwohl ist Stress seit der Steinzeit bekannt. Schließlich gab es für Menschen immer schwierige und anstrengende Situationen, und nicht wenige davon waren gewiss schwerer zu ertragen als die Belastungen von heute. Die Verzweiflung bei der erfolglosen Suche nach etwas Essbarem dürfte auf der Skala negativer Gefühle jedenfalls weiter oben liegen als die Sorge, bei einem Vortrag vor großem Publikum zu versagen. Und vor einem angreifenden Säbelzahntiger davonzulaufen schlägt allgemeinem Konsens zufolge den Stresspegel bei der Hetze zur morgendlichen Besprechung.
Genau dafür ist Stress nämlich eigentlich da: dass wir in einer schwierigen Situation schnell handeln, statt uns einfach fressen zu lassen. Dazu steigen Blutdruck und Puls, die Atmung wird schneller. Das Hormon Adrenalin schwärmt aus und sorgt dafür, dass Gehirn und Muskeln gut mit Energie versorgt werden. Der Körper ist bereit zu kämpfen – oder auch zu fliehen. »Stress sorgt dafür, dass wir in den unterschiedlichsten Umgebungen zu Höchstleistungen fähig sind«, fasst es der Biopsychologe Clemens Kirschbaum zusammen. Nur sollten all diese körperlichen Reaktionen möglichst bald auch wieder abebben, wenn die Gefahr vorüber ist.
Heute aber ist Stress Teil des Alltags. »Es gehört fast schon zum guten Ton zu wiederholen, dass man nicht unterbeschäftigt, sondern wichtig sei und viel zu tun habe«, sagt die Psychologin Monika Bullinger. »So wird nicht mehr unterschieden zwischen dem anregenden Gefühl, hin und wieder etwas aus der Puste zu sein, und dem permanent negativen Gefühl, das entsteht, wenn keine Erfolgserlebnisse am Ende der Stressreaktionstehen. Es wird unterschätzt, dass dieser nicht zu bewältigende Stress ein Gesundheitsrisiko darstellt.«
Wenn der Körper andauernd in Alarmbereitschaft versetzt wird, sind die Folgen zunächst oft mental zu spüren: Die Gestressten fühlen sich unwohl, sind ängstlich oder auch traurig. Andere reagieren gereizt und launisch, werden schnell ungerecht. Wer unter chronischem Stress leidet, kann meist nicht mehr zur Ruhe kommen. Phasen ohne Druck findet er fast schon unerträglich. Er hat schlicht verlernt, sich zu erholen. Auf Dauer kommen zu den ersten mentalen Alarmzeichen auch körperliche Probleme hinzu. Welche das sind, kann von Person zu Person extrem unterschiedlich sein. »Jeder hat da seine ganz persönliche Achillesferse«, sagt der Präventionsspezialist Christoph Bamberger. Zum Schluss ist die Last auf der Seele nicht mehr zu leugnen. Dann treten psychische Störungen wie Depressionen oder das in letzter Zeit oft gehörte Burnout auf, bei dem es sich meist um nichts anderes als eine milde Form der Depression handelt.
Wie stressig aber ist ein voller, fordernder, hektischer Tag? Das erlebt jeder Mensch höchst individuell. Dem Ersten mag es schon zu viel sein, zwei Termine zu koordinieren, der Zweite gerät erst in Bedrängnis, wenn es offenkundig Ärger gibt. Und dem Dritten ist selbst das egal.
Wie viel Stress und Druck ein Mensch empfindet, hängt in erheblichem Maße von seiner psychischen Widerstandskraft ab, die er von Kindesbeinen an entwickelt. Persönliche Eigenschaften tragen ebenso dazu bei wie das soziale Umfeld und die Erziehung. Es gibt aber auch hilfreiche Strategien, die den Umgang mit dem tagtäglichen Stress erleichtern und so die persönliche Widerstandskraft gegen die Unbill des Lebens auch
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