Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
ausreichend durch Müßiggang, Bewegung und Entspannung abgelöst wird.
Mit irgendeiner Form von Stress muss ohnehin jeder zurechtkommen. Denn es gibt genügend Strapazen und Belastungen, denen man schlicht nicht entgehen kann. Beziehungenkönnen enden, Kinder können einem den letzten Nerv rauben, der Arbeitgeber lagert seine Produktion plötzlich ins Ausland aus.
Arbeitslos zu werden gehört zu den schlimmsten Negativereignissen im Leben eines Menschen. Das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, frisst so stark am Selbstwertgefühl wie kaum eine andere Lebenskrise. Die Psychologen Michael Eid und Maike Luhmann haben das näher untersucht. Die Arbeitslosigkeit erleben die meisten Menschen auch dann nicht als weniger schlimm, wenn sie zum zweiten oder zum dritten Mal eintritt. Jahrzehntelang hatten Wissenschaftler geglaubt, dass sich Menschen mit allem arrangieren, auch wenn es ihr Leben noch so sehr verändern mag. Kurze Zeit nach einem Lottogewinn oder einem Unfall, der sie querschnittsgelähmt machte, werteten Befragte einer berühmten Studie ihr eigenes Lebensglück wieder in ähnlicher Weise wie zuvor. »Aber es gibt sie doch nicht immer, diese Gewöhnung«, betonen Eid und Luhmann. »Die Zeit heilt eben nicht alle Wunden.«
Bei der Arbeitslosigkeit scheint es sogar so etwas wie einen Sensibilisierungseffekt zu geben. »Das ist wie eine Spirale, die immer weiter nach unten zieht«, sagt der Entwicklungspsychologe Denis Gerstorf. Fachleute wie die drei wissen längst: Der Verlust der Arbeit geht nicht nur mit einem Verlust des Selbstwertgefühls einher, sondern auch mit dem Verlust sozialer Kontakte. Oft werden auch die Konflikte mit Freunden und Angehörigen schärfer, wenn das Geld fehlt. Die Teilhabe an vielen Aktivitäten ist nicht mehr möglich. »Deshalb braucht unsere Gesellschaft dringend Programme, die die Folgen mehrmaliger Arbeitslosigkeit abfedern«, so Eid und Luhmann. Schließlich kommt es gar nicht mehr so selten vor, dass Menschen wiederholt ihren Job verlieren.
Doch Stress lauert auch dort, wo er zunächst gar nicht so einfach zu erkennen ist. Allein das Leben in der Großstadt ist schon eine Gefahr für die seelische Gesundheit: Großstadtmenschen sind weitaus häufiger psychisch krank als Menschen, die in ländlicher Abgeschiedenheit leben – und das, obwohl die medizinische Versorgung in der Stadt in der Regel besser ist als auf dem Land. Für die negativen Auswirkungendes Stadtlebens spielt vermutlich die ständige Reizüberflutung eine Rolle und dass man den lieben langen Tag zahllosen Menschen begegnet, die man eigentlich nie treffen wollte. Menschliche Gesichter sind für das Gehirn interessant, es versucht möglichst viele von ihnen wahrzunehmen; wer mit Hunderttausenden auf relativ engem Raum lebt, will sie paradoxerweise aber zugleich auch meiden. Deshalb scheinen jene Hirnregionen bei Großstädtern, die für die Stressverarbeitung und die Kontrolle der Emotionen verantwortlich sind, dauernd unter Höchstleistung zu arbeiten. Die Folge: Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist bei ihnen um 39 Prozent erhöht, das Risiko, eine Angststörung zu entwickeln, um 21 Prozent. Und die Wahrscheinlichkeit, dass jemand eine Schizophrenie entwickelt, ist umso höher, je größer die Stadt ist, in der ein Mensch lebt, wie Florian Lederbogen und Andreas Meyer-Lindenberg herausgefunden haben.
Die beiden Psychiater konnten sogar belegen, dass die Großstädter per se gestresster sind. Sie steckten psychisch gesunde Menschen in die Röhre eines funktionellen Kernspintomographen und beobachteten, was in ihren Gehirnen passierte, wenn sie übel beschimpft wurden und zugleich schwierige Rechenaufgaben lösen sollten. Das bedeutete für alle Versuchsteilnehmer Stress: Ihr Herz schlug schneller, der Blutdruck stieg, das Stresshormon Cortisol schwamm vermehrt in ihrem Blut. Doch die Nervenzellen im Angstzentrum des Gehirns – einer mandelförmigen Struktur namens Amygdala – feuerten umso aktiver, je größer die Stadt war, aus der die Person kam. Es gilt inzwischen als sicher, dass die Amygdala an verschiedenen psychischen Störungen beteiligt ist. Immerhin: Ein Umzug aufs Land kann helfen – aber es dauert einige Jahre, bis die erhöhte Hirnaktivität sich langsam wieder beruhigt.
Was also ist zu tun? Soll man sich zur Stressreduktion ins beschauliche Kloster, in ein abgelegenes Dorf oder auf eine einsame Insel zurückziehen? Sich aus Angst vor dem Rausschmiss lieber gleich
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