Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
selbstständig machen? Den Partner immer bestens behandeln, damit er einen ja nicht verlässt? Gerade das macht schon wieder Stress. Die unendlichen Wahlmöglichkeiten, welche das Leben von heute den Menschenbietet, torpedieren das Wohlbefinden. Sich auf das zu besinnen, was einem selbst wichtig ist, und mit dem Erreichten zufrieden zu sein, gehört zu den großen Herausforderungen in einer Welt voller vermeintlicher Chancen. »Seine persönlichen Prioritäten zu erkennen, nach ihnen zu leben und sich nicht von anderen verrückt machen zu lassen, sollte die Devise sein«, sagt der Erlanger Entwicklungspsychologe und Präventionsforscher Friedrich Lösel.
Früher hatten die meisten Menschen ein Elternhaus oder eine elterliche Wohnung, in der sie aufwuchsen, ohne jemals umzuziehen; wenn sie dann doch zum ersten Mal die Bleibe wechselten, zogen sie oft in die unmittelbare Nähe; ihre Lehre absolvierten sie in einem der zahlenmäßig überschaubaren örtlichen Betriebe, die diese Art Ausbildung anboten; oder sie kehrten nach dem Studium in der nächstgelegenen Großstadt in die alte Heimat zurück; ganz selbstverständlich schickten sie ihre Kinder auf dieselbe Schule, auf die sie einmal selbst gingen.
Heute ist dieser beschauliche Lebensentwurf selten geworden. Die Wahlfreiheit ist inzwischen so groß, dass sie schon zum Zwang wird: Ständig muss sich der moderne Mensch fragen, ob er nicht doch eine der vielen Optionen nutzen sollte, die sich ihm bieten: Ist es richtig, jetzt schon seit zehn Jahren bei derselben Firma zu arbeiten? Gibt es nicht woanders einen besseren Job, der auch noch besser bezahlt wird? Was macht man mit dem Geld, das man anspart? Sollte man das Kind nicht lieber auf die Privatschule schicken? Was wird man am Ende seines Lebens denken, wenn man nicht wenigstens eine Zeitlang im Ausland gelebt hat? Ist die Ehe noch so erfüllend, wie man sich das immer erträumt hat? Ist der Sex häufig und gut genug? In einem Leben mit so vielen Freiheitsgraden kehrt Ruhe nur selten ein.
Doch Flucht ist zwecklos. Besser, wir machen unsere Seele stark.
Wenn der Seele das Rüstzeug fehlt
Für diese Frau waren alle voller Bewunderung. Drei kleine Kinder hatte die erfolgreiche Architektin, die bei einem großen Unternehmen im Münchner Norden arbeitete. Sechs, drei und ein Jahr alt waren die Kleinen, und die Mutter war jeweils nach einer kurzen Babypause für 30 Stunden in der Woche an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Im Büro fiel sie durch immer gute Laune, den sicheren Blick fürs Effiziente und eine stets gepflegte Erscheinung auf. Sie erzählte gerne, mit welchem Organisationstalent sie ihren Haushalt, ihre Ehe und ihren aufreibenden Job auf die Reihe bekam. Für diese Frau waren wirklich alle voller Bewunderung. Waren es. Bis die Enddreißigerin von einem Tag auf den anderen nicht mehr im Büro erschien. Sie war zusammengeklappt. Krankgeschrieben für ein halbes Jahr und eingewiesen in eine Kurklinik. Am Wochenende, empfahl ihr der Arzt eindringlich, solle sie bloß nicht nach Hause fahren, um ihre Familie zu besuchen. Am besten kämen Mann und Kinder die nächste Zeit auch nicht zu Besuch. Sie brauche unbedingt Abstand von allem. So schlecht waren ihre Laborwerte gewesen.
Was ganz normale Menschen heute von sich verlangen, ist oft nicht zu schaffen. Sie wollen den kritischen Blicken von Nachbarn und Kollegen standhalten und zugleich die Anforderungen ihres Arbeitgebers, ihrer Partner, Kinder und womöglich auch noch ihrer alten Eltern erfüllen. Und das nicht irgendwie, sondern so perfekt wie im Hollywoodfilm. Der Leistungsdruck hat zugenommen – und viele, wie die Münchner Architektin, merken davon nicht einmal etwas, bevor der Körper den Dienst verweigert und so in letzter Sekunde die Notbremse zieht.
Auf die berufliche Höchstleistung folgt oft der Burn-out, das völlige Ausgebranntsein. Erfunden hat den Begriff, der seit geraumer Zeit in aller Munde ist, der New Yorker Psychotherapeut Herbert Freudenberger schon in den 1970er-Jahren. Freudenberger hatte seine Beobachtungen vor allem bei Menschen gemacht, die einer sozialen Tätigkeit nachgingen. Diese Leute, die ihren Beruf meist mit großem Engagement und Idealismusergriffen hatten, fühlten sich nach einigen Jahren oft müde und überfordert, waren lustlos und auch körperlich krank. Viele entwickelten ein stark distanziertes, zynisches Verhältnis zu ihrer einst so geliebten Arbeit.
Heute ist das Burn-out-Syndrom längst nicht mehr auf soziale
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