Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
werden. Die Kosten, die psychische Krankheiten verursachen, liegen Schätzungen zufolge in Europa jedes Jahr bei 300 Milliarden Euro. Und es werden mehr.
Im Jahr 2001 gab es dem Arbeitsministerium zufolge 33,6 Millionen Fehltage wegen psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen. 2011 waren es schon 59,2 Millionen. Da sind die psychosomatischen Erkrankungen noch nicht einmal mitgezählt. An der Gesamtheit aller Fehltage machten die psychischen Krankheiten im Jahr 2001 6,6 Prozent aus. Im Jahr 2010 betrug ihr Anteil dann 13,1 Prozent – er hatte sich also verdoppelt. Mittlerweile sind psychische Leiden der häufigste Grund für krankheitsbedingte Frühverrentungen.
Nicht umsonst hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den beruflichen Stress zu »einer der größten Gefahren des 21. Jahrhunderts« erklärt. Viele EU-Staaten haben inzwischen gesetzliche Regelungen zum Schutz vor gesundheitsgefährdender psychischer Belastung am Arbeitsplatz eingeführt und mit anderen Berufsrisiken gleichgestellt. Ständiger Stress am Arbeitsplatz sei der Gesundheit genauso abträglich wie Lärm, grelles Licht oder Gift. Deutschland gehört nicht zu diesen EU-Staaten.
»Erst ein notwendiges gesellschaftliches Umdenken mit sozialpolitischen Folgen, politischen Korrekturen und entsprechenden Gesetzen wird wieder humane und gesundheitsverträgliche Arbeitsbedingungen schaffen«, heißt es in der Erklärung des Deutschen Ärztetages. Doch statt entsprechende Initiativen zu ergreifen, werde der Zusammenhang zwischen der krankmachenden Arbeitssituation und dem Auftreten psychischer Erkrankungen von der Politik oft nicht erkannt oder geleugnet.
Das Tückische am Burn-out ist: Das Ausbrennen ist ein schleichender Prozess, der auf vielfältige Weise vonstattengehenkann. Wer unter Rückenschmerzen, Konzentrationsstörungen, Verdauungsproblemen, Herzrasen, Vergesslichkeit, Kopfschmerzen, Unruhe oder Schlafstörungen leidet, dessen Körper rebelliert womöglich schon gegen die ständige Überforderung, gegen die immer wiederkehrende Frustration, die Desillusionierung oder die fehlende Anerkennung.
Das Vertrackte ist nur: All diese Symptome können zugleich auch ganz andere Ursachen haben. Vielen Betroffenen fällt es daher schwer zu erkennen, dass sie sich zu viel abverlangen. So bekämpfen sie ihre innere Leere, das aufkommende Gefühl der Sinnlosigkeit und die ständige Zerrissenheit mit noch mehr Engagement im Job, zusätzlichen Verabredungen, weniger und kürzeren Pausen, morgens mit Aufputsch- und abends mit Schlafmitteln. Manchmal kommen auch härtere Drogen ins Spiel. Wenn niemand eingreift, dreht sich die Spirale immer weiter – bis gar nichts mehr geht.
Auch Fachleute erkennen oft nicht, was mit ihren Patienten los ist. Das liegt auch daran, dass Psychiater und Psychologen bis heute keine einheitliche und verbindliche Definition für das Ausgebranntsein gefunden haben. Burn-out, dieser Zustand der totalen Erschöpfung, gilt nicht einmal als eigenständige Diagnose. Vielmehr wird es im internationalen Klassifikationskatalog aller Krankheiten, ICD-10, als ein potenziell krankheitsauslösendes »Problem der Lebensbewältigung« geführt. Dem muss aus heutiger Sicht nicht einmal mehr ein ausgeprägter Enthusiasmus vorausgegangen sein. Auch Menschen, deren Begeisterung für ihren Job nie loderte, können ausbrennen.
Ärzte können den Begriff Burn-out somit nur zusätzlich zu einer Diagnose verwenden. Und in der Tat steckt häufig noch etwas anderes dahinter – in den meisten Fällen eine leichte Depression. Das aber sagen Ärzte ihren Patienten oft nicht. Denn Burn-out klingt irgendwie moderner und besser. Der Betroffene gilt als aktiv und engagiert, als jemand, der einmal wirklich für seine Sache in Leidenschaft brannte, bevor er zusammenklappte, und nicht wie das antriebslose, klägliche Opfer, das viele Menschen mit Depressionen verbinden. Wohl deshalb nennen Ärzte ihren Patienten gerne die Modediagnose Burn-out: Die Kranken akzeptieren sie leichter.
Man müsse aber aufpassen, mit dem Begriff nicht die Depression zu verharmlosen, warnt der Psychiater und Vorsitzende des Deutschen Bündnisses gegen Depression Ulrich Hegerl. Denn ein falsches Verständnis der Situation könne zu falschen Bewältigungsstrategien führen – etwa mittels der kleinen gelben Zettel zur kurzfristigen Flucht aus dem Arbeitsalltag, der für das seelische Leid oft verantwortlich gemacht wird.
Doch wenn hinter dem Erschöpfungsgefühl eben nicht
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