Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
Leben auseinanderzusetzen, das sie bis dahin geführt hatten, und über die Möglichkeiten einer positiven Veränderung nachzudenken«, erzählt die Psychologin und folgert: »Krisen machen resilient.«
Das sah auch die inzwischen verstorbene Schweizer Paar- und Familientherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin so: »Manchmal kommt die Resilienz erst in den ganz großen Krisen zutage, obwohl man mit den kleinen immer haderte.« Das gelte auch für Paare, die gemeinsam Kraft mobilisieren, um ihre Ehe vor dem Aus zu retten. »Ihre Fähigkeit zu Resilienz mag bisher in den alltäglichen Turbulenzen untergegangen oder Außenstehenden nicht zugänglich gewesen sein«, so Welter-Enderlin. »Aber in der Krise beleben sie manchmal Fähigkeiten, von denen sie nichts mehr gewusst hatten.«
Die gesammelten Krisen eines Menschenlebens bieten dem, der aus ihnen lernt, am Ende einen bunten Strauß an Bewältigungsstrategien. »Es geht ja nicht so sehr darum, dass man bestimmte Ressourcen hat«, erläutert der Heilpädagoge Michael Fingerle. »Wenn man Schwierigkeiten bewältigen muss, kommt es darauf an, wie man die Ressourcen, die man hat, einsetzt.« Und das lasse sich erlernen. Zum Beispiel helfe es, sich regelmäßig an die Tiefpunkte seines Lebens zu erinnern – daran, dass und wie man sie überstanden hat.
Das soziale Lernen mag auch der Grund dafür sein, dass sich viele – wenn auch nicht alle – Negativereignisse im Leben nicht mehr so schlimm anfühlen, wenn sie ein zweites Mal eintreten. Das gilt zum Beispiel für die Trennung vom Ehepartner. »Scheidung gilt als eines der stressigsten Ereignisse, die man erleben kann«, schreiben die Entwicklungspsychologen Maike Luhmann und Michael Eid. »Die zweite Scheidung wird aber nicht mehr als so schlimm empfunden wie die erste.« Menschen gewöhnten sich offenbar an wiederholte Scheidungen. Das muss kein Abstumpfungseffekt sein. Wahrscheinlich haben die Betroffenen auch einfach gelernt, wie sie aus dieser schwierigen Situation weniger belastet herauskommen. Sie wissen, dass sie eines Tages wieder glücklich sein können und vielleicht auch wieder einen neuen Partner finden.
Die Gelassenheit der Älteren
Fast bis zum Lebensende geht es mit der Resilienz bergauf. »Ältere Menschen können Schwierigkeiten besser meistern«,meint auch der Resilienzforscher George Bonanno. Zunächst mag das erstaunlich anmuten, schließlich werden ab der Lebensmitte »zahlreiche entwicklungsbedingte Abbauprozesse und Funktionseinbußen« sichtbar, wie die Altersforscherin Ursula Staudinger sagt. Deshalb waren Experten lange Zeit davon ausgegangen, dass es mit der Zufriedenheit, der Lebensfreude und der psychischen Stärke im Alter nicht so weit her sein könne. Für Hochbetagte gilt das auch – wahrscheinlich weil Krankheiten im hohen Alter immer quälender werden und weil die Leistungsfähigkeit und die Mobilität dann dramatisch nachlässt. Doch bis wenige Jahre vor dem Tod ist das Gegenteil der Fall. Da wächst die Resilienz.
»Im Alter hat man einen größeren Erfahrungsschatz«, sagt der Psychologe Denis Gerstorf. Das helfe, Krisen zu bewältigen. »Man kennt sich auch selbst besser und weiß daher, wie man mit schwierigen Situationen fertig wird«, so Gerstorf. Schließlich hat jeder, der eine Reihe von Geburtstagen hinter sich hat, schon so manche Krise bewältigt.
Allerdings scheint es nicht nur um Erfahrungen zu gehen. »Wir werden im Alter im Durchschnitt umgänglicher, verlässlicher und emotional stabiler«, sagt Ursula Staudinger. Das liege vor allem daran, dass Menschen mit dem Alter automatisch ihre soziale Anpassungsfähigkeit steigern. Und die sorgt dann für stabile Netzwerke, gute Beziehungen und auch mehr Zufriedenheit mit den Dingen, die sich eben nicht ändern lassen. Woher diese Altersmilde kommt, ist noch nicht ganz klar. Doch Experimente, die sie belegen, gibt es zuhauf.
Dass ältere Menschen mehr Verständnis für andere haben, konnte die Entwicklungspsychologin Ute Kunzmann in einem Experiment zeigen: Sie führte ihren Testpersonen eine kurze Filmsequenz vor, in der sich ein Paar streitet. Das regte die älteren Zuschauer erheblich weniger auf als die jüngeren. Sie reagierten gelassener und zeigten auch mehr Mitgefühl mit den Streithähnen.
Das unaufgeregte Wesen der Alten verändert wohl auch die Art, wie sie schwierige Situationen bewältigen. »Resilienz ist im Alter mehr und mehr auf externe Ressourcen angewiesen«, sagt Ursula Staudinger. »Probleme werden
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