Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
Persönlichkeitspsychologe Jens Asendorpf »mehr und mehr durch Forschung bestätigt«. »Duckt euch nicht weg!«, übersetzt er das ins praktische Leben. »Man muss Herausforderungen auch mal annehmen.« Wenn man es beispielsweise hasst, vor fremden Menschen zu sprechen, und die tägliche Routine im Büro eigentlich gemütlicher findet, sollte man einer Einladung zu einem Vortrag ruhig mal folgen, rät Asendorpf. Am Tag vorher, während man den Vortrag vorbereitet, bereut man es wahrscheinlich furchtbar. In den Minuten vor dem großen Ereignis dann erst recht. Aberwenn man es hinter sich bringt und möglichst auch noch die Erfahrung macht, dass es ganz gut gelaufen ist, dann hat man wieder etwas für seine Resilienz getan.
Die U-Kurve des Glücks
Das Leben hält für jeden Menschen im Laufe der Zeit natürlich sowieso eine Reihe von Stressimpfungen bereit, ob wir das nun möchten oder nicht. Insofern gibt es noch eine ganz einfache Möglichkeit, wie man seine psychische Widerstandskraft stärken kann: schlichtweg, indem man älter wird.
Erste Indizien dafür liefern die aktuellen Studien zur Glücksforschung. Seelische Stärke ist ja nicht ganz unabhängig vom Glück. Denn es ist zweifelsohne leichter, Schicksalsschläge aus einer Situation heraus zu parieren, in der man sich grundsätzlich wohl fühlt. Das Glück aber ist bei allen Menschen in der Jugend besonders groß und nimmt dann kontinuierlich ab. Bis etwa Mitte 40 schwindet das Glück mehr und mehr, dann setzt die berühmt-berüchtigte Midlife-Crisis ein. Doch es gibt Hoffnung: Wenn man das Tief etwa mit seinem 50. Geburtstag hinter sich gebracht hat, dann wächst das Glücksgefühl der meisten Menschen ebenso kontinuierlich wieder an – und wächst und wächst bis kurz vor dem Tod, wie die Neurowissenschaftlerin Tali Sharot erzählt. »Überall auf der Welt wurde das beobachtet«, sagt sie. »Von der Schweiz bis nach Ecuador, von Rumänien bis China.« Unterschiedlich ist nur, wann der Tiefpunkt erreicht wird. Die Deutschen trifft er im Durchschnitt mit 42,9 Jahren, die Briten finden sich schon mit 35,8 Jahren im Stimmungstief. Die Italiener haben dagegen mehr zufriedene Jahre vor sich, bevor sie dann mit 64,2 Jahren an ihrem Glücksminimum angelangt sind. Manch einer erlebt das gar nicht mehr.
Wissenschaftler haben schon viele Daten zur U-Kurve des Glücks gesammelt. Aber worauf ist diese eigentlich zurückzuführen? Vielleicht darauf, dass das Leben in den 30ern und 40ern besonders anstrengend ist, wenn man im Beruf etwas auf die Beine zu stellen versucht und zugleich kleine Kinder hat, die umsorgt sein wollen? »Nein«, sagt Sharot, »das istnicht der Grund.« Denn die U-Kurve des Glücks gilt auch für Menschen ohne Kinder. Sie ist zudem unabhängig vom Bildungsstatus, vom Einkommen, von Partnerschaften. »Und sie ist sogar bei Menschenaffen zu finden«, ergänzt der Primatenforscher Alexander Weiss.
Weiss hat vor Kurzem die Pfleger von 508 Affen in Zoos gefragt, wie sie das Wohlbefinden ihrer Schützlinge einschätzen. Das Ergebnis war verblüffend: Glaubt man den Tierpflegern, dann leiden auch Affen unter Midlife-Crisis. Womöglich ist das seelische Tief in der Mitte des Lebens also gar nicht auf die menschliche Zivilisation zurückzuführen, sondern biologisch begründet und in den Hirnstrukturen schon bei der Geburt festgelegt. Oder das Phänomen, dass es bald nach diesem Tiefpunkt auch wieder bergauf geht, hat schlicht etwas mit sozialem Lernen zu tun.
Auch Krisen können resilient machen
Emmy Werner würde wohl auf Letzteres tippen. Oft führen Wendepunkte im Leben erst zu der Stärke, die man braucht, sagt die Psychologin. Ein solcher kann nach Werners Erfahrung auf Kauai zum Beispiel der Eintritt ins Arbeitsleben sein. Das Selbstbild der jungen Erwachsenen dort, die in der Schule laufend Schwierigkeiten hatten, änderte sich schlagartig zum Besseren, sobald sie einen Job bekamen, der ihnen Spaß machte, in dem sie ihre Stärken nutzen konnten und Anerkennung fanden. Auch im Erwachsenenleben gibt es solchen Wandel immer wieder. Manchmal resultiert er sogar aus einem zunächst unerfreulichen Anlass – etwa, wenn man einen Arbeitsplatz verliert, an dem es aber mehr Ärger gab als Anerkennung.
Manche der Jugendlichen von Kauai hätten auch eine »Art der Erleuchtung« gehabt, sagt Emmy Werner. Bei einigen sei das nach einer lebensbedrohlichen Krankheit in der Familie der Fall gewesen. »Die nahe Begegnung mit dem Tod zwang sie, sich mit dem
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