Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
heil. »Ich war selber schuld, ich konnte die Verantwortung für den Unfall auf niemanden abschieben«, erklärte sie. Sie war fest davon überzeugt, dass sie viel länger arbeitsunfähig gewesen wäre, wenn jemand anderes vergessen hätte, die Handbremse zu ziehen.
Diese und andere Geschichten, die Urs Hepp von seinen Patienten gehört hat, illustrieren, wie sehr die Bewältigung schwieriger Situationen auch dadurch beeinflusst wird, wie die Betroffenen ihren Hergang wahrnehmen. Hepp verweist auf eine Studie von Psychiatern der Universität Zürich um Ulrich Schnyder, die das untermauert. Wie lange Patienten nach einem Unfall krank sind, hängt demnach vor allem von ihrer subjektiven Einschätzung der Schwere des Unfalls ab – und die korreliert kaum mit dem tatsächlichen Sachverhalt, erzählt Hepp.
Angesichts all der Unwägbarkeiten gilt es auch für die Starken, weiter an ihrer Stärke zu arbeiten. »Ich muss versuchen, meine Resilienz in jeder Situation neu zu modulieren«, sagt die Soziologin Karena Leppert. Auch Friedrich Lösel empfiehlt, sich geschmeidig der sich verändernden Umwelt anzupassen: »Setz dir Ziele, aber lass sie nicht zum Muss werden.« Ziele sind etwas Wunderbares. Sie können das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeitserwartung stärken. »Aber man darf auch nicht ständig unter Druck und Spannung stehen«, warnt Lösel. »Wenn man das Ziel nicht wie vorgesehen erreicht, dann muss man es eben neu stecken.«
Bleiben Sie flexibel!
»Flexibel bleiben« ist auch der wichtigste Tipp der American Psychological Association (APA): »Resilienz zu erhalten, bedeutet, auch in schwierigen Lebenslagen Flexibilität und Balance zu bewahren«, schreibt die APA. Das kann auf folgenden Wegen passieren:
Lassen Sie starke Emotionen zu. Aber nehmen Sie auch wahr, wenn das mal keine gute Idee ist. In manchen Momenten muss man seine Emotionen hintanstellen, um weiter funktionieren zu können.
Packen Sie Probleme aktiv an und stellen Sie sich den Herausforderungen des täglichen Lebens. Aber halten Sie auch mal inne, um auszuruhen und neue Kraft zu schöpfen.
Verbringen Sie viel Zeit mit Menschen, die Sie lieben. Jeder Mensch braucht Unterstützung und Zuspruch. Geben Sie diesen Zuspruch aber auch sich selbst.
Vertrauen Sie auf andere. Und vertrauen Sie auch auf sich selbst.
»Ich bin ja so im Stress!« – Der eigene Beitrag zur Verletzbarkeit
Stress kann impfen gegen den Zusammenbruch. Aber er kann auch zerstören. Fürs Impfen braucht man nun mal die richtige Dosis, das ist bei allen Impfstoffen so. Es gelte, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen, warnt deshalb die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Das Risiko für einen Burn-out wachse immens, wenn »der Einzelne seinem Arbeitsbereich überhöhte Bedeutung im Hinblick auf Selbstverwirklichung, Selbstbestätigung und Leistungserwartung zumisst«. Dann nehme die Arbeitszeit immer mehr zu, Familie und Freizeitgestaltung würden vernachlässigt. Am Ende laufe der mit seiner Arbeit so Verwachsene Gefahr, in eine psychische Krise zu geraten. »Umso wichtiger sind Stressmanagement und Kräftigung der inneren Ressourcen.«
An diesem Punkt ist Gert Kaluza zur Stelle. Der Psychologe vom GKM-Institut für Gesundheitspsychologie in Marburg beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Stressbewältigung, gibt Kurse und hat zahlreiche Bücher geschrieben.
Sie sind schwer ans Telefon zu kriegen – Ihr Alltag scheint auch nicht gerade ohne Stress zu verlaufen?
Ich habe viel zu tun, ja. Klienten gibt es schließlich genug.
Wird das Leben der Menschen denn tatsächlich immer stressiger, wie es so oft heißt?
Da bin ich mir nicht so sicher. Im Dreißigjährigen Krieg war es wahrscheinlich auch nicht angenehmer. Aber wenn man Umfragen anschaut, dann fühlen sich die Menschen heutzutage sehr gestresst. Und es sind auch mehr geworden, die das von sich sagen.
Wenn Sie so viel darüber wissen, warum liegen Sie dann nicht längst irgendwo in der Südsee in der Hängematte?
Das Leben in der Hängematte ist ja nicht das Ziel. Es ist gewiss nicht meine Botschaft, ein anforderungsloses Leben entlang der Energienulllinie zu führen. Wichtig ist aber der gesundheitsförderliche Umgang mit der eigenen Energie. Wobei es dafür kein allgemeines Patentrezept gibt.
Warum nicht? Stress ist doch letztlich ein biologisches Phänomen.
Das ist richtig. Aber Stress wirkt sich sehr unterschiedlich auf die Menschen aus. Es
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