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Resteklicken

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Titel: Resteklicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meschner Moritz
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Mich selbst mit eingerechnet. Und von diesen etwa zwanzig sind nur fünf verkleidet. Mich selbst mit eingerechnet.
    Selbstverständlich wird auch mal über die Strenge geschlagen, ausgerastet, rumgepöbelt, ein Bier verkippt, in den Blumentopf gereihert, ’ne Nase genommen oder Ähnliches. Trotzdem bewegt sich alles in einem fest abgesteck­ten Rahmen, der nicht gesprengt werden soll, von einer blauen Küche oder einem Blizzard hält hier niemand was. Die meisten Leute sind so Ende zwanzig, Anfang dreißig, stecken in Beziehungen, die mehr oder weniger gut laufen, ein paar haben schon Kinder und müssen bald gehen, alles in allem mehr so die Vorstufe einer guten Party, wahrscheinlich wird es dabei bleiben.
    Vanessas beste Freunde kenne ich noch von früher. Sali, Hendrik und Bernd. Die drei kommen gerade durch die Tür. Alle haben sie sich in ein freches John-Travolta-Ensemble geschmissen, weißer Siebziger-Anzug, schwarzes Hemd, überall Schlag, und das obligatorische Goldkettchen fehlt auch bei keinem. Wenn ich mich recht erinnere, sehen die eigentlich immer so aus, und alle drei sind Kiffer und Kokser, je nach Tageszeit und Laune.
    Hendrik hat von allen dreien aber das größte Drogenproblem. Bei dem war ich sogar schon mal zu Hause. Irgendwann vor ein paar Wochen, als ich nicht wusste, wohin.
    »Meschner, das darfst du jetzt aber keinem erzählen«, sagte Hendrik damals zu mir und zog an seiner Zwei-Meter-Wasserpfeife. Leute wie Hendrik rauchen keine Tüten mehr, höchstens in Gesellschaft.
    »Was denn?«, fragte ich ihn.
    »Wir bauen unser eigenes Gras an«, sagte er und hustete. »Ganz großer Stil. Bernds Oma hat irgendwo in Wessiland so einen riesigen Bauernhof. Im Keller bauen wir schon an, aber nächstes Jahr, da geht es richtig los: Wir expandieren, ich meine, alles, was wir brauchen, ist Strom, dann wohnen wir da, und am Wochenende fahren wir das Zeug nach Berlin und verticken schön.«
    »Klasse Idee«, sagte ich. »Was ihr noch dazu braucht, ist Grips.«
    »Wir hören alle mit dem Scheiß auf. Du musst clean sein, wegen der Logistik und Organisation. Meinst du, daran hätten wir nicht gedacht? Wie gesagt, ganz großer Stil.«
    »Das wird bestimmt was«, sagte ich.
    »Hier, nimm mal ’ nen Zug!«, sagte Hendrik und reichte mir die Pfeife.
    »Danke«, sagte ich. »Is nich so meins.«
    »Komm schon. Das Zeug is absoluter Wahnsinn.«
    Hendrik hatte recht: Das Zeug WAR absoluter Wahnsinn! Ich zog einmal an diesem riesigen Marokko-Monster, dann wurde mir schlecht. Ich stand auf, wollte zur Tür (Frische Luft!), bin aber gleich in den Kleiderschrank und dort liegen geblieben, bestimmt so an die zwei Stunden. Dann hat Hen­drik Fotos von mir gemacht und bei Facebook hochgeladen.
    Meschner im Schrank.
    Ich hasse Schränke.
    Und ich hasse Hendrik.
    »Wo ist denn Steffi?«, fragt mich Vanessa plötzlich.
    Ich zucke zusammen.
    »Kann sie nich?«
    Was für eine bescheuerte Frage. DOCH , sie kann. Mich verletzen, mich ignorieren, mich alleine kraft ihrer Gedanken zum Heulen bringen. DAS kann sie.
    »Wir sind nicht mehr zusammen«, sage ich leise, aber Vanessa hat sich schon umgedreht, weil gerade neue Gäste zur Tür reingekommen sind. Unverkleidet natürlich.
    Ich kenne Vanessa seit dem Kindergarten. Wir waren in derselben Grundschule, auf dem gleichen Gymnasium, und auch in der Uni habe ich sie ein paar Mal getroffen. Ist aber schon länger her.
    Die letzten Jahre sehen wir uns immer seltener, die Luft zwischen uns ist ein bisschen raus, an unseren Geburtstagen vielleicht mal, die sind beide im Oktober, oder auf einem Klassentreffen.
    Scheiße.
    Vanessa HAT ja Geburtstag. Heute!
    Und ich habe natürlich kein Geschenk dabei.
    Ich müsste wenigstens hinterhergehen und ihr gratulieren. Stattdessen hole ich mein iPhone raus und gehe zu Facebook.
    Ich habe jetzt 207 Freunde.
    Moritz und Simone Mahlschewski sind jetzt Freunde.
    Moritz und Iga Gorzycka sind jetzt Freunde.
    Moritz und Nathalia Pryck%zxrk§&krtz*!z? sind jetzt Freunde.
    Mein selbsterklärtes Ziel ist es, noch in diesem Jahr die Dreihundertermarke zu knacken. André hat diese dunkle Obsession in mir geweckt. Er hat nämlich schon 297 Facebook-Freunde. Um das Ziel zu erreichen, frage ich neue potentielle Freunde mit der verbissenen Hartnäckigkeit eines Hochleistungssportlers an. Das Schöne an dieser Sportart ist, dass man sie bequem und depressiv von zu Hause ausüben kann.
    Ich habe sogar zwei Frauen angefragt, die ich überhaupt nicht kenne. Nur weil

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