Resteklicken
sie geil aussahen. Ach ja, und Steffis Schwester Nele, die mich schon drei Mal abgelehnt hat. Ich stelle so ziemlich jeder Person nach, die mich meinem Wunsch nach der Dreihundert ein Stückchen näher bringen könnte.
Ich bin ein Bock.
Ein Facebock.
Ich leere mein Bier und gehe wieder in die Küche, um mir ein neues zu besorgen.
Vanessa steht mit einem Typen an der kleinen Bar, der »Nettes Kostüm, Charlie« sagt, als ich reinkomme. Er selbst trägt keins.
»Danke«, sage ich übertrieben freundlich.
»Das ist übrigens mein neuer Freund«, sagt Vanessa.
»Wow«, sage ich und gucke mir den Typen genauer an.
Was für eine Wurst! Da hätte sie ja gleich mit mir zusammen sein können.
Aber mit Vanessa hätte ich es nicht ausgehalten. Nicht in einer Beziehung. Sie ist so ziemlich die anstrengendste Frau, die ich kenne. Eine absolute Oberzicke. Und sie hat mehr Psychoprobleme als ich, das will schon was heißen. Ich habe die nie so richtig mitbekommen, aber ihr Exfreund Timm natürlich. Als er sich nach dem Beziehungsende bei mir ausgeheult hat, da hat er mir ein paar Geschichten über Nessa erzählt. Dass sie ihn nur belogen hat, jahrelang. Und dass sie selbst an diese Lügen geglaubt hat. »Narzisstische Persönlichkeitsstörung« nennt sich das. Zwanghaftes Lügen. Hat sie wohl aber nur ihm gegenüber gemacht. Wenn ich mich mit ihr getroffen habe, dann ist mir nie was aufgefallen. Gut, ich habe auch nie ein zweites Mal nachgefragt, wenn sie erzählt hat, wo sie war, mit wem, oder ob sie heute gearbeitet hat, das hat mich ja nicht besonders interessiert. Timm schon. Und wenn er die zickende Zeitbombe dann bei einer Lüge ertappt hat, ist sie ausgerastet, hat ihn angeschrieen und sich neue Lügen ausgedacht, um die alten zu untermauern. Für Timm war das natürlich der absolute Alptraum. Und mit ihr drüber reden ging auch nicht, sagte er, sie hat ja dann einfach behauptet, dass ihre Geschichten wahr seien und ihn wieder angeschrieen und ihn einmal sogar geschlagen. Nach zwei Jahren Beziehung war Timm dann nur noch eine leere ausgelutschte Hülle mit grade mal um die sechzig Kilo und lustigen Selbstmordgedanken. Ich glaube, er ist immer noch in Therapie.
Vanessa war übrigens meine erste sexuelle Erfahrung. Mich hat sie allerdings vergessen. Wir waren vier oder fünf Jahre alt und saßen unter einem Tisch, Kindergeburtstag, und da haben wir uns berührt, angefasst, ich könnte das beschwören, aber Nessa erinnert sich angeblich nicht daran. Vielleicht hat sie es auch verdrängt, ich meine, wer will schon seine erste sexuelle Erfahrung mit MIR gemacht haben? (Einkaufsnotiz an mich selbst: neues Selbstwertgefühl besorgen!)
Jetzt hat sie also einen neuen Freund. Wie schön für sie.
Er ist wohl Steuerberater, wenn ich das richtig verstehe, trägt ein total hässliches kariertes H&M -Hemd und ist etwas übergewichtig. Das wird sich geben, mein Freund! Da werden noch ein paar Pfunde runtergehen, ganz klar, er ist ja jetzt mit Narzissa zusammen, da hält man sein Gewicht nicht lang, die geistige Gesundheit zu konservieren ist Aufgabe genug.
Nach ein paar Minuten habe ich keine Lust mehr auf den zukünftigen Klapsen-Insassen und gehe zurück ins Wohnzimmer. Mittlerweile sind ein paar mehr Leute da, und einige sind sogar … verkleidet!
In einer Ecke stehen zum Beispiel zwei Typen im »Star-Trek«-Sternenflotten-Outfit, so »Next-Generation«-Uniformen, eine blaue und eine rote. Die beiden trinken Beck’s aus der Flasche und scheinen in ein interessantes Gespräch vertieft. Vermutlich geht es um den Warp-Antrieb. Der Captain, oder wen auch immer der Typ in Rot darstellen will, hat kurzgeschnittene Haare und ist auch ansonsten ziemlich gepflegt, sein Kumpel hingegen ist das genaue Gegenteil. Er hat fettiges, mittellanges Haar und einen Drei- bis Acht-Tage-Bart, und sein Polyesterkostüm spannt merklich im Bauchbereich, tatsächlich hat er eine ganz schöne Wanne, ein echter Trekkie eben.
Ich zünde mir eine Zigarette an und gehe zu den beiden rüber, denn irgendwie sind mir Nerds immer sympathisch. Bis vor kurzem dachte ich ja auch noch, dass ich selbst KEINER wäre.
»Möge die Macht mit euch sein«, sage ich.
Der Captain rollt mit den Augen.
»War nur ’n Scherz«, sage ich. »Ich bin selbst ›Star-Trek‹-Fan.«
Natürlich auch auf Facebook.
»Worüber quatscht ihr denn? Den letzten Film?«
»Nein«, sagt der Dicke. »Über die gefälschte Mondlandung.«
»Ich liebe Verschwörungstheorien«,
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