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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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dürfen.
    »Die Geschichte von Ixion«, sagte Charlonge leichthin. »Neulinge haben viele Fragen, die ich nicht immer alle beantworten kann.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Vor allem über Ixion selber und wie die Riper hierherkamen. Aber manchmal fragen sie auch nach den drei Sonnen und Kosmologie.«
    »Kosmologie?« Naif hörte das Wort zum ersten Mal.
    Charlonge seufzte. »Ich nehme an, du hast noch nie von den drei Sonnen gehört?«
    Naif schüttelte den Kopf.
    »Das ist nicht dein Fehler, Naif. In Grave wird das gar nicht gelehrt. Aber du solltest zumindest wissen, dass wir in einer Welt leben, die sich um einen verglühenden Stern dreht.«
    »Abraxas. Ja. Joel hat es mir gesagt.«
    »Weißt du auch, dass er zwei Begleiter hat?«
    »Es gibt drei Sterne?«
    »Stell dir vor, drei Freunde streiten miteinander und schicken einen ins Exil. Das sind unsere Sonnen.« Charlonge klappte das Buch zu. »Und bevor du mir noch mehr Fragen stellst, lass mich mal deine Wunden sehen.«
    Naif setzte sich auf, lehnte sich gegen die Kissen und zog das Nachthemd hoch, um ihre Beine zu inspizieren. Abgesehen von dem dunklen Bluterguss rund um den Knöchel waren alle Schnitte fast verheilt. Die auf ihren Armen ebenso. Schnell schob sie das Hemd herunter und wusste nicht, was sie sagen sollte.
    »Ich habe gehört, dass Lenoir ein Heiler ist«, sagte Charlonge. »Aber wie kann das möglich sein? Auf deinem Gesicht ist es dasselbe.«
    Sie war beschämt, und zugleich freute sie sich auch ein bisschen. Wie zuvor schon musste Lenoirs Zunge sie geheilt haben. »Ich bin mir nicht sicher … aber eines der Nachtwesen hat mich auf einem Pfad in der Nähe von Agios angegriffen. Lenoir fand mich und hat mit ihm gekämpft. Und ihn getötet.« Sie zwang sich, es auszusprechen – damit es wirklich wurde. »Dann hat er mich hierhergebracht. Das ist alles, an das ich mich erinnere.«
    »Das ist alles!« Charlonge nahm eine Tasse und kam den schmalen Raum entlang zu ihr. »Nimm das.«
    Dankbar trank Naif den Traubensaft in kleinen Schlucken.
    Charlonge wartete, bis sie fertig war. »Was hast du da draußen gewollt?«
    »I-ich bin mit Markes gegangen, um mit ihm unter vier Augen reden zu können.«
    »Dem Musiker?«
    Naif nickte und zog die Knie ans Kinn. »Wir haben uns eine Weile unterhalten, dann ist er wieder reingegangen. Ich wollte ihm nachgehen, aber dann hat mich Joel gerufen.«
    »Joel?« Charlonges Finger flatterten. »Was hat er gesagt?«
    »Ich wollte ihm begreiflich machen, dass Lenoir uns nur schützen will. Aber Joel glaubt mir nicht – wir haben uns gestritten, dann ist er verschwunden, und ich habe mich ein bisschen verirrt. Leyste lauerte mir auf. Lenoir sagt, er hätte mir schon nachgestellt, seitdem ich durch die Aufnahme gekommen bin.«
    »Leyste?«
    »Ein Nachtwesen.« Naif umschlang ihre Beine und zog sie fest an die Brust, um einen Schauder zu überspielen. »Er war so hässlich, Char, aber irgendwie auch traurig.« Sie seufzte. »Lenoir sagt, er hätte mich getötet.«
    Charlonge machte ein paar Schritte weg von dem Bett, so vorsichtig, als hätte sie Angst, etwas zu zertreten. »Lenoir zeigt sich wirklich sehr um dich besorgt, Naif. Das ist für einen Wächter nicht gerade üblich. Bist du sicher, dass er nicht an Joel herankommen will – durch dich?«
    Naif zuckte die Achseln. »Ich glaube nicht, dass er es weiß.«
    Charlonge starrte sie an. »Was Lenoir betrifft, da kannst du dir in gar nichts sicher sein. Die Wächter sind nicht wie wir. Du wirst nicht vorhersehen, was sie tun. Du kannst sie einfach nicht kennen, Naif.«
    Charlonges Worte brachten Naif auf einen Gedanken. Sie rutschte vom Bett, doch Schwindel erfasste sie, und sie musste sich festhalten. »Die Abstimmung!«
    »Wovon redest du? Du brauchst Ruhe. Ich will nicht von Lenoir bestraft werden, weil …«
    Naif fasste Charlonge bei den Händen. »Die Wächter stimmen darüber ab, was mit Ruzalia geschehen soll. Wenn Lenoir die Abstimmung verliert, wird Brand ihre neue Anführerin. Sie will Markes als Köder für Ruzalia benutzen. Und dich auch. Sie will die League und die Gangs jagen. Kennst du Brand, Char?«
    Charlonge schluckte nervös und nickte. »Natürlich. Die Narbige.«
    »Ich muss zu der Versammlung und das Ergebnis hören.« Naif ließ Charlonges Hände los und richtete sich auf. Sie fühlte, wie eine neue Entschlossenheit sie durchströmte. »Wenn Brand gewinnt, muss ich alle warnen.«
    Charlonge stand reglos da. Ihr Mienenspiel zeigte die

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