Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
Vom Netzwerk:
ist?«
    »Ein paar Sachen weiß ich schon«, erwidere ich gereizt. »Nur nicht so detailliert.«
    »Na ja«, sagt Ian, »wenn du nachher in Omega Point immer noch sprechen kannst, können wir ja mal zusammen essen. Dann klären wir dich auf.«
    »Wirklich?« Ich schaue ihn an.
    »Na klar, Mädel.« Er lacht und wirft mir einen Karton zu. »Wir beißen nicht, weißt du.«

23
    Manchmal denke ich über Klebstoff nach.
    Der wird niemals gefragt, wie er klarkommt. Ob er vielleicht keine Lust mehr hat, Dinge zusammenzufügen. Oder ob er Angst hat, sich aufzulösen, oder nicht weiß, wovon er nächste Woche seine Rechnungen bezahlen soll.
    So ähnlich ist Kenji.
    Wie Klebstoff. Er arbeitet hinter den Kulissen, um alles zusammenzuhalten, und ich habe niemals über seine persönliche Geschichte nachgedacht. Was er vielleicht verbergen muss mit seinen Witzeleien und spöttischen Bemerkungen.
    Aber er hat Recht. Alles, was er zu mir gesagt hat, stimmt.
    Mich gestern mitzunehmen war eine gute Idee von ihm. Ich musste raus, musste mich bewegen und beweisen. Und nun muss ich Kenjis Rat ernst nehmen und an mir arbeiten. Mich aufrütteln. Mir Ziele setzen. Mir klarmachen, warum ich hier bin und wie ich mich nützlich machen kann. Und wenn Adam mir auch nur ein bisschen am Herzen liegt, dann sollte ich mich aus seinem Leben heraushalten.
    Ein Teil von mir will ihn unbedingt sehen, um mich zu versichern, dass es ihm besser geht, dass er genügend isst und schläft. Doch ein anderer Teil von mir fürchtet sich davor, ihm jetzt zu begegnen. Denn es würde auch Abschied bedeuten. Die endgültige Erkenntnis, dass ich nicht mit ihm zusammen sein kann. Dass ich ein neues Leben beginnen muss. Alleine.
    Doch in Omega Point gibt es zumindest Perspektiven für mich. Und sollte es mir gelingen, endlich keine Angst mehr zu haben, könnte ich vielleicht sogar neue Freundschaften schließen. Stark sein. Mich nicht mehr in Selbstmitleid suhlen.
    Vieles muss ich ändern.
    Ich nehme mein Tablett und hebe den Kopf; nicke den Leuten zu, die ich gestern kennengelernt habe. Nicht alle wissen, dass ich an der Mission in der Außenwelt teilgenommen habe – diese Einladungen erhalten nur Eingeweihte –, aber ich habe den Eindruck, dass die Leute etwas entspannter auf mich reagieren.
    Vielleicht bilde ich es mir aber auch nur ein.
    Ich halte nach einem Platz Ausschau und sehe, dass Kenji mich an seinen Tisch winkt, an dem auch schon Brendan, Winston und Emory sitzen. Ich beginne unwillkürlich zu lächeln, als ich mich ihnen nähere.
    Brendan rutscht auf der Bank beiseite, um mir Platz zu machen. Winston und Emory sind damit beschäftigt, sich mit Essen vollzustopfen, und nicken mir nur zu. Kenji grinst ein bisschen, als er merkt, wie erstaunt ich darüber bin, an seinen Tisch eingeladen zu werden.
    Ich fühle mich ziemlich wohl. So als würde vielleicht doch noch vieles gut werden.
    »Juliette?«
    Mich trifft fast der Schlag.
    Ganz langsam drehe ich mich um. Die Stimme muss zu einem Geist gehören. Denn Adam kann unmöglich so schnell aus der Krankenstation entlassen worden sein. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir dieses Gespräch so bald führen müssten. Und bestimmt nicht hier, mitten im Speisesaal.
    Ich bin nicht darauf vorbereitet. Und ich bin nicht bereit dazu.
    Adam sieht schlimm aus. Bleich. Zittrig. Er hat die Hände in die Hosentaschen gesteckt, seine Lippen sind zusammengepresst, seine Augen müde und gequält, dunkle bodenlose Brunnen. Seine Haare sind zerzaust. Aber sein T-Shirt umspannt eng seine Brust, und seine tätowierten Arme wirken sehniger denn je.
    Ich will nichts anderes, als mich in diese Arme zu werfen.
    Stattdessen sitze ich starr da und befehle mir, das Atmen nicht zu vergessen.
    »Kann ich mit dir reden?«, fragt Adam so zögernd, als fürchte er sich vor meiner Antwort. »Unter vier Augen?«
    Ich nicke, bringe kein Wort hervor. Lasse mein Essen stehen, ohne einen weiteren Blick auf die anderen am Tisch zu werfen. Ich habe keine Ahnung, was sie jetzt denken. Und es ist mir auch egal.
    Adam.
    Adam ist hier, er steht vor mir, er will mit mir sprechen. Aber ich muss ihm Dinge sagen, die mich vermutlich umbringen werden.
    Ich folge ihm dennoch. Zur Tür hinaus. In einen dunklen Gang.
    Irgendwann bleibt er stehen.
    Schaut mich an, als wisse er, was ich sagen will. Deshalb bleibe ich stumm. Ich werde nur sprechen, wenn es unvermeidlich ist. Lieber bleibe ich hier stehen und starre ihn an, genieße schamlos ein letztes Mal

Weitere Kostenlose Bücher