retten die Pferde
laut.
Anne meinte trocken, darüber brauchten sie sich wohl keine Gedanken zu machen.
„Wer nicht hinschaut, wenn wir mit zwei Rössern aufkreuzen, dem ist nicht zu helfen.“
„Trotzdem“, beharrte Marion. „Irgendwas ... ein bisschen mehr.“
Sie dachten alle nach. Die gesamten kleinen grauen Zellen der Vierten arbeiteten fieberhaft. Der Wind hatte zugelegt. Hannis linkes Bein lag quer über einer Ameisenstraße. Der Zug quälte sich tapfer über das hochalpine Hindernis hinweg. Wenigstens eignete sich das Innere der Ringelsocken für eine kurze Pause. Hanni kratzte und dachte gleichzeitig.
Dann sagte Nanni in das Schweigen: „Ganz einfach. Wir ziehen unsere Kostüme an, die Westernkleider von damals. Und wir singen. Zwei oder drei spielen Gitarre.“
„Mensch, Nanni, wenn es dich nicht gäbe, müsste man dich erfinden“, erklärte Jenny.
Und Hanni meinte: „Ist doch klasse, wenn man einen Zwilling hat, der einem das Denken abnimmt.“
Aktion „Max und Sternchen“ in vollem Gange.
Der Countdown lief. Anja schrieb und malte das Plakat. Sie hatte so lange geübt, dass Max und Sternchen jetzt tatsächlich wie Pferde aussahen.
Am Freitagnachmittag gingen Marion, Carlotta und die Zwillinge zum Ziererhof um die Pferde auf Hochglanz zu bringen. Unter Marions und Carlottas Anleitung wurden sie gestriegelt, gekämmt, gebürstet, bis sie glänzten. Dann banden die Mädchen ihnen Schleifen in Mähne und Schweif, blaue für Max, rosafarbene für Sternchen.
„Man könnte direkt im Zirkus mit den beiden auftreten“, meinte Carlotta zufrieden.
Als es dunkel wurde, schleppten die Mädchen einen alten Schreibtisch aus Mariannes Zimmer durch den Park hinunter auf die Straße. Morgen früh würden sie ihn auf Anjas Rollstuhl transportieren. Das Plakat lag eingerollt bereit. Elli hatte von Herrn Holzbauer genug Blumen bekommen um die halbe Stadt zu beglücken. Der Hausmeister war ein wortkarger Mann, der seine Zähne kaum auseinander brachte, aber er war viel freundlicher, als er auf den ersten Blick wirkte.
Samstag war in Lindenhof schon immer unterrichtsfrei gewesen. Wer nicht zum Frühstück erscheinen, sondern einmal ausschlafen wollte, konnte sich auch später noch in der Küche ein Marmeladebrot und eine Tasse Tee holen. Diese Freizügigkeit kam der Aktion „Max und Sternchen“ zugute. Die Zwillinge rollten Anjas Stuhl mit dem Tisch in den Ort. Oben auf der Ladung hatten sie ihre Kleider und Mariannes Cowboyhut verstaut. Am Markt gab es eine öffentliche Toilette, da konnten sie sich umziehen.
Während die Marktfrauen ihre Stände aufbauten und Obst, Gemüse, Eier und frische Hühner appetitanregend dekorierten, stellten die Mädchen ihren Tisch unter einen Baum und klebten das Plakat an die Rinde. Wenig später kamen die anderen mit Sparschwein, Blumen und Gitarren. Die bedauernswerten Leute, die um diese Zeit ein menschliches Bedürfnis verspürten, verzweifelten. Die Toilette war pausenlos besetzt. Unscheinbare Teenager standen davor Schlange. Westernladys in langen Rüschenkleidern kamen heraus. Wer die Verwandlung nicht abwarten konnte, ging ins Café nebenan. Nur eine Mutter mit ihrem dreijährigen Sohn drängte sich vor.
„Wenn ihr mich nicht reinlasst, macht mein Franzi in die
Hose“, erklärte sie.
Dieses Argument wirkte. Jenny und Bobby zogen sich im Vorraum um. Mama und Franzi tauchten wieder auf. „Danke“, sagte die Frau zu den Mädchen. „Zu spät ...“
Anja war mit Anne und Elli, die beide nicht gern radelten, mit dem Bus gekommen. Marion und Carlotta sollten die Pferde herunterfuhren.
„Es wird Zeit, dass wir ihnen entgegengehen“, meinte Hanni, als die ersten Käufer über den Platz bummelten. „Wer bleibt hier und hält die Stellung?“
Außer Anja erbot sich keine freiwillig. Dann sagte Anne: „Ich.“ Und nach längerem Zögern schloss sich Petra an. Ihr war es fast angenehmer so. Sie war schüchtern, und mit Pferden, Gesang und Gitarrenklängen einzuziehen wäre ihr peinlich gewesen. Da bewachte sie lieber das noch leere Sparschwein.
Vor dem Stadttor warteten bereits Carlotta und Marion mit den Tieren. Natürlich hatten Max und Sternchen ihren Schmuck im Laufe der Nacht aufgefressen und sahen etwas gerupft aus. Sie fanden offensichtlich, dass Seidenbänder noch besser schmeckten als Äpfel und Zucker, mit denen man sie in der letzten Woche überfüttert hatte. Die Mädchen hatten gedacht, die Pferde würden mit dem Maul ihre Mähne und den Schweif nicht erreichen.
Weitere Kostenlose Bücher