Rettende Engel (German Edition)
Uniformierten konnten die zahllosen Neugierigen kaum zurückdrängen.
Wie betäubt ging Kaha weiter, immer weiter, bis die Geräusche verstummten und er nur noch das Knallen der Schüsse in seiner Erinnerung hörte. Wieder und immer wieder.
31
Das Geräusch des Löffels, der gegen den Becher schlug, während Chris seinen Milchkaffee ungewöhnlich ausdauernd umrührte, unterbrach als einziger Laut am nächsten Morgen die Stille im Büro.
Kaha starrte auf den Origami-Kranich auf seinem Schreibtisch. Den weißen Papierkranich, den Sandra ihm geschenkt hatte.
Die Kollegen der beiden schlichen auf dem Gang an der halb geöffneten Bürotür vorbei. Die Mutigeren unter ihnen schauten kurz in den Raum – aber alle bemühten sich, möglichst wenig aufzufallen.
Nur der Chef hatte – wie so oft – kein Gespür für die Situation. Mit einem gut gelaunten „Hallo miteinander” rauschte Dr. Solm-Lensing in das Büro. Er klopfte Kaha auf die Schulter. „Gratulation. Das macht Ihnen so schnell keiner nach: Zwei Fälle an einem Tag gelöst. Klasse.”
„Guten Tag, Chef”, sagte Chris laut. Mit einem dezenten Kopfschütteln versuchte er, Solm-Lensing zu bremsen.
Doch der ließ sich nicht beirren. „Dass der Junge doch unschuldig war, hätte ich nicht gedacht. Gute Arbeit. Und die Geiselnahme haben Sie vorbildlich bereinigt. Lassen Sie sich da nichts einreden. Unsere primäre Aufgabe ist es, die Bevölkerung zu schützen.”
Diesen Satz, dachte Chris, hatte er bestimmt eins zu eins aus einer seiner Reden übernommen.
Und der Mann war immer noch nicht fertig mit seiner völlig verfehlten Lobeshymne. „Der Verlust eines Menschenlebens ist natürlich bedauerlich und so weiter. Aber wegen der Untersuchung machen Sie sich mal keine Sorgen, Fischer. Reine Routine. Summa summarum: Schwierige Situation, vorbildlich bereinigt. Sehen Sie nur zu, dass Sie den Papierkram möglichst schnell erledigen.”
Chris atmete auf, als der Chef auf dem Absatz kehrt machte und sich anschickte, den Raum zu verlassen. Aber dann drehte er sich doch noch einmal zu Kaha um. „Ach ja. Ich gebe in einer Stunde eine Pressekonferenz. Möchten Sie vielleicht …?”
Zum ersten Mal während des gesamten, ziemlich einseitigen Gesprächs schaute Kaha den Chef an.
Der verstand ohne Worte „Nein? Auch gut.”
Und dann war Solm-Lensing endlich verschwunden.
Kaha starrte wieder auf den Kranich. Schließlich gab er sich einen Ruck, riss eine Schublade auf und fegte den Papiervogel hinein.
Chris tat so, als sei der Inhalt der E-Mail auf seinem Bildschirm ungemein spannend und als bekäme er nicht mit, was um ihn herum geschah.
Kaha zögerte kurz. Dann öffnete er die Schublade wieder, nahm den Kranich heraus und setzte ihn vorsichtig auf seinen angestammten Platz auf dem Schreibtisch.
Zum ersten Mal an diesem Morgen schaute er zu Chris hinüber. „Miriam und Tim?“, fragte er.
„Bei ihren Großeltern.“ Chris ging zur Kaffeemaschine auf dem Sideboard, füllte einen Becher und reichte ihn Kaha.
„Manche kannst du retten und manche nicht”, sagte Chris ruhig. „Du hast es geahnt, oder?“
Kaha zuckte die Schultern: „Vielleicht.” Er räusperte sich und setzte noch einmal an: „Vielleicht. Da war etwas hinter ihrer Stärke und Fröhlichkeit. Eine Verletztheit … Ich weiß nicht. Ist auch egal.“
Chris hob den Blick und schaute an Kaha vorbei. Er lächelte. „Dreh dich mal um. Du hast Besuch.“
Es klopfte. In der geöffneten Tür stand Cem.
Auszug aus dem Cori-Stein-Thriller OHNE SKRUPEL
1
Jon Brecht, dieser verdammte Idiot. Vor einer Stunde hatte Cori Stein erfahren, dass Hamburg am Sonntag , dieses Revolverblatt, ihr die Story vor der Nase weggeschnappt hatte. Was hieß weggeschnappt? Sie hatte die Geschichte doch schon gehabt – und als Erste. Und jetzt? Ihre schöne Story. Morgen in sämtlichen Zeitungen, im Internet, schon übermorgen Schnee von gestern, tot. Sie hätte vor Wut ins Lenkrad beißen können.
Stopp. Keine gute Idee. Schließlich wollte sie ihren neuen Alfa Spider nicht verunstalten. Der einzige Lichtblick: Sie war schon wieder an einer neuen Story dran. Neues Spiel, neues Glück.
Abrupt trat Cori auf die Bremse. Hier musste es sein. Beinahe hätte sie den Eingang der Bank verpasst. Das Gebäude lag etwas abseits der Wolkenkratzer, die Frankfurt zu Mainhattan machten. Die Worms-Urban-Bank setzte auf Diskretion, auch was den Firmenhauptsitz betraf. Aufzufallen und zu protzen lag nicht in
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