Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
zurückgegangen.
Heute wickelt Deutschland 40 Prozent seines Außenhandels (Exporte plus Importe) mit den Partnern im Euro-Raum ab. Aber 51 Prozent des deutschen Handelsbilanzüberschusses entstehen in dieser Region. Das ist eine Diskrepanz, die, milde gesagt, Fragen aufwirft, und, schärfer formuliert, für viele Politiker ein Ärgernis ist.
Die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde (und jetzige IWF-Direktorin) warf im Sommer 2010 den Deutschen ohne größere diplomatische Verbrämung vor, dass sie ihren Außenhandel nicht einfach laufen lassen dürften. Das ginge zu Lasten der Partner in Euro-Land, die das auf Dauer so nicht mehr hinnehmen würden. Die deutsche Regierung müsse gegensteuern.
Was hat dieser Ärger mit dem Euro zu tun? Wäre es besser, wenn wir den Euro nicht mehr hätten? Selbstverständlich gibt es auch in einem System flexibler Wechselkurse Salden in der Handelsbilanz. Auch vor dem Euro hatte Deutschland einen Exportüberschuss, wohingegen die Amerikaner unabhängig von der Währungsentwicklung schon seit den 1970er Jahren einen Fehlbetrag aufweisen. Insofern darf man nicht alle Schuld auf der Währung beziehungsweise dem Euro abladen.
Ebenso richtig ist aber, dass die neue Währung die Ungleichgewichte zwischen Deutschland und seinen Handelspartnern unterstützt und gefördert hat. Dafür spricht, dass der Großteil des gesamten deutschen Überschusses gegenüber den Partnern im Euro-Raum anfällt. Ein Indiz ist auch, dass der Überschuss vor allem in den Jahren nach der Einführung des Euro entstanden ist.
Hierfür wiederum waren der erwähnte rigorose Anpassungsprozess nach der Wiedervereinigung und die Festlegung der Wechselkurse im Euro-System verantwortlich. In diesen Jahren hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie deutlich verbessert, sie konnte Marktanteile zugewinnen. Gleichzeitig blieben der Konsum und die Binnennachfrage zurück. Das bremste die Importe.
Ganz anders die Situation in den Defizitländern: Sie profitierten von den niedrigen Zinsen durch die Einführung des Euro. In Italien oder Griechenland lagen die Finanzierungskosten vor 1999 noch im zweistelligen Bereich (in Italien zeitweise bei 13 Prozent, in Griechenland vorübergehend bei 15 bis 20 Prozent). Die Zinssenkung stimulierte die Investitionen und die Konsumbereitschaft. Auf den Immobilienmärkten kam es vor allem in Spanien zu einer Überhitzung. Die Löhne stiegen stark an. Das war ein Euro-Bonanza. Die Unternehmen hatten so viele Aufträge im Inland, dass sie das Exportgeschäft vernachlässigen konnten. Die Binnennachfrage war hier so groß, dass sie zum Teil nur durch erhöhte Einfuhren aus dem Ausland gedeckt werden konnte. Die Folge: Es wurde mehr importiert als exportiert, die Handelsbilanz wies einen Fehlbetrag auf.
All das wäre ohne den Euro höchstwahrscheinlich nicht so gekommen. Die D-Mark hätte sich bei steigenden Exporten tendenziell aufgewertet, und die Währungen der Länder mit Fehlbeträgen in der Handelsbilanz wären entsprechend niedriger bewertet worden. Ganz abgesehen davon wäre es gar nicht zu dem Boom gekommen, weil die Zinsen in den Defizitländern nicht so stark gesunken wären. Es wären vielleicht immer noch Salden in den gegenseitigen Handelsbilanzen übrig geblieben. Es hätte sicher auch Anschuldigungen der Defizitstaaten wegen der Überschussposition der Deutschen laut geworden – ein bekanntes Spiel aus der Nachkriegszeit. Das Ganze hätte sich aber in einem wesentlich bescheideneren Rahmen gehalten.
Man kann also einerseits sagen: Ohne den Euro hätten die Deutschen in der Wirtschaftspolitik nicht halb so viel Ärger gehabt, sie hätten nicht so oft auf der Anklagebank gesessen. Vor allem wäre es natürlich auch nicht zu der großen Euro-Krise gekommen, die wir seit Anfang 2010 erleben. Andererseits – auch das gehört dazu – hätte Deutschland zusätzlich zu den Lasten der Anpassung bei den Löhnen und in den öffentlichen Haushalten noch eine Aufwertung verkraften müssen.
5. Geringere Aufwertung?
Ein weiteres häufig gehörtes Argument: Ohne Euro würde sich die deutsche Währung stärker aufwerten. Die Exportindustrie hätte also viel mehr Gegenwind von der Wechselkursseite erhalten. Auch hier lohnt es sich, die Argumente anhand der Fakten zu überprüfen. Und siehe da, das Ergebnis ist bei weitem nicht so eindeutig.
Ursprünglich war erwartet worden, dass sich die Aufwertung der deutschen Währung gegenüber dem Dollar
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