Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
eine oder andere Exporteur mit seiner spezifischen Kundenstruktur auch widersprechen mag: Der Euro hat für die Wechselkursentwicklung und damit für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie nicht viel verändert. Auch die Schwankungen auf den Devisenmärkten sind weder größer noch kleiner geworden. Wenn es den Euro nicht gäbe, würde es an den Devisenmärkten für die Mitgliedsländer nicht besser und auch nicht schlechter.
Für die Exportindustrie insgesamt ist die Einführung des Euro daher weder Segen noch Fluch. Es hat sich im Hinblick auf die Wechselkurse per Saldo nicht viel verändert. Das gilt natürlich nur für den Durchschnitt gegenüber allen Währungen. Für Unternehmen, die lediglich auf einzelnen Märkten tätig sind (wie unser Unternehmer zu Beginn des Kapitels), kann sich das anders darstellen.
Die angeblich so großen wirtschaftlichen Vorteile des Euro sind also ein Mythos. Ich wette, die Verbraucher würden es kaum merken, wenn es den Euro nicht gäbe. Der Frankfurter Historiker Werner Plumpe weist darauf hin, dass in der Geschichte der Zerfall einer Währungsunion »kaum je ein ökonomisches Desaster« war.
6. Internationale Finanzmärkte
Ganz anders sieht es außerhalb der Gemeinschaft aus. Der Euro ist ein Segen für die Welt, außer vielleicht für die USA.
Derzeit wird viel über eine Reform des internationalen Währungssystems diskutiert. Das bestehende System hat sich zwar in der Krise ganz gut gehalten. Optimal ist es nach Ansicht der meisten Experten und Politiker nicht. Dabei stören sie sich weniger an den flexiblen Wechselkursen – dazu gibt es so, wie sich die Welt heute darstellt, keine Alternative. Die Hauptkritik betrifft die zentrale Rolle, die der US-Dollar noch immer als Weltreservewährung spielt. Vor allem den Chinesen ist das ein Dorn im Auge: Sie halten es für ein Relikt der Vergangenheit.
Und jetzt stellen Sie sich vor, was für ein Geschrei entstehen würde, wenn es den Euro nicht mehr gäbe. Die Chinesen besaßen Ende 2010 insgesamt 3000 Milliarden Dollar an Währungsreserven. Wir wissen nicht, wie viel genau davon sie in Euro angelegt haben. Schätzungen belaufen sich auf rund 1000 Milliarden Dollar, also etwa ein Drittel. Das entspricht dem Gesamtbetrag der Schulden Spaniens und Portugals zusammengenommen. Wo sollten sie also hin mit ihren Währungsreserven, wenn der Euro verschwinden würde? Einzelne nationale Währungen in Europa, auch eine neue D-Mark, wären zu klein, um so große Mengen an Währungsreserven aufzunehmen. Die gesamten Reserven in den Dollar umschichten würden die Chinesen aber ebenfalls nicht, denn dann hätten sie ein zu großes Amerika-Risiko in ihren Büchern. In den japanischen Yen investieren würden sie auch nicht wollen, dazu gibt es mit Tokio zu viele politische Händel.
Im Sommer 2010, also mitten in der Euro-Krise, sprach sich der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao gegenüber der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel positiv zum Euro aus und versprach, auch in Zukunft Mittel in dieser Währung anzulegen. Das ist nicht nur leeres Gerede. Die Chinesen sind essentiell an der Existenz des Euro interessiert.
Der Euro hat auf den internationalen Finanzmärkten in seinen ersten zehn Jahren einen festen Platz eingenommen als Alternative zum Dollar. Es gibt keine Währung in der Welt, die ihm diesen Platz streitig machen könnte oder wollte. Bei Einführung des Euro waren rund 15 Prozent der weltweiten Währungsreserven in Euro angelegt; das entsprach damals grosso modo dem Anteil, den die D-Mark hatte. Seitdem ist dieser Anteil kontinuierlich gewachsen und liegt heute bei knapp 30 Prozent. Der entsprechende Anteil des Dollar beträgt gut 60 Prozent. Der Rest entfällt auf Währungen wie das britische Pfund oder den japanischen Yen. Schaut man sich die einzelnen Teilmärkte des internationalen Kapitalmarkts an, so liegt der Anteil des Euro ebenfalls in etwa zwischen 30 und 40 Prozent, teilweise aber auch deutlich darüber (zum Beispiel bei Bonds-Emissionen).
Die gut etablierte Nummer zwei
Der Euro ist damit eine gut etablierte Nummer zwei auf den Finanzmärkten. Würde die plötzlich fehlen, hätte die Welt ein Problem. Der Dollar könnte die Anteile nicht übernehmen, weil weder die Zentralbanken noch die Investoren in eine allein dollarzentrierte Welt zurückkehren möchten. Dazu ist die amerikanische Währung heute nicht mehr stark genug. Eine neue Alternative, etwa in Großbritannien oder Japan
Weitere Kostenlose Bücher