Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Europa wird durch die Währung entstehen oder es wird überhaupt nicht entstehen. Er wurde immer wieder zitiert, weil er so gut klingt und weil man nach einem frühen Ursprung des Euro suchte. Mit einer Währungsunion hat diese Aussage aber – darauf hat David Marsh hingewiesen – nichts zu tun. Rueff hatte vielmehr nur eine engere währungspolitische Zusammenarbeit im Sinn.
Das Thema der gemeinsamen Währung in Europa kam erst in den 1960er Jahren auf, als die europäische Integration schon voll in Gang war. Zwei Entwicklungen waren entscheidend. Einmal verlief die wirtschaftliche Zusammenführung der Volkswirtschaften schneller und reibungsloser als gedacht. Die Zollunion wurde drei Jahre früher verwirklicht als eigentlich geplant. Man konnte schon ehrgeizigere Ziele als das einer Wirtschaftsunion ins Visier nehmen. Die Währungsunion war in jener Zeit freilich noch sehr weit weg. Ich arbeitete damals am Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen der Universität München. Unser Chef, Hans Möller, war in Brüssel an den frühen Arbeiten zur währungspolitischen Integration beteiligt. Wir hielten das aber für reine Zukunftsmusik.
Um ernsthaft eine Währungsunion in Angriff zu nehmen, bedurfte es noch weiterer Faktoren. Die kamen durch die zunehmenden Spannungen im internationalen Währungssystem dieser Zeit ins Spiel. Die Welt wurde wegen des Vietnamkriegs immer stärker mit Dollar überschwemmt, und die Bundesrepublik gehörte zu den Ländern, die sich in besonderem Maße gegen Geldzuflüsse von außen wehren musste. 1961 gab es die erste D-Mark-Aufwertung. Sie belief sich auf ganze 5 Prozent (was manch einem Unternehmer in jener Zeit als der Untergang Deutschlands erschien – so haben sich die Zeiten geändert).
In den Folgejahren musste die Bundesbank häufiger und mit größeren Beträgen an den Devisenmärkten intervenieren. 1969 gab es sogar einen Wahlkampf zum Thema Aufwertung der D-Mark. Der damalige Wirtschaftsminister Franz Josef Strauß war gegen die Aufwertung, sein Kontrahent, Finanzminister Karl Schiller, dafür. Die Auseinandersetzung wurde auf beiden Seiten sehr leidenschaftlich geführt. Die Wähler verstanden freilich wenig von diesem komplizierten Thema. Dass Schiller am Ende unerwartet viele Stimmen bekam, hing weniger mit einer Vorliebe der Deutschen für die Aufwertung zusammen als mit seinem persönlichen Charisma.
Der Werner-Plan
Für eine Gemeinschaft, die auf dem Weg zu einer Wirtschaftsunion war, waren die Turbulenzen auf den Devisenmärkten ein Problem. Wechselkursschwankungen gefährdeten das Wachstum der gegenseitigen Aus- und Einfuhren. Daher überlegte man, wie man in der Währungspolitik enger zusammenarbeiten könnte, um diese Unsicherheiten zu verringern. Bereits 1960 schlug Robert Triffin, ein belgischer Wirtschaftswissenschaftler, der in den USA lehrte, die Gründung einer Währungsunion in Europa vor. Die Europäische Kommission veröffentlichte ab 1962 verschiedene Vorschläge zur Verbesserung der währungspolitischen Zusammenarbeit auf dem Kontinent.
Ende der 1960er Jahre schließlich entwickelte der damalige Premierminister Luxemburgs Pierre Werner einen Plan, der als die erste konkrete Blaupause einer Währungsunion in Europa in die Geschichte einging. Im Kern ging es um eine unwiderrufliche Festlegung der bilateralen Wechselkurse zwischen den Mitgliedsländern. Eine formelle Einführung einer gemeinsamen Währung war nicht vorgesehen. Der sogenannte Werner-Plan war seiner Zeit weit voraus. Meine Kollegen im Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen und ich hielten ihn damals eher für ein Hirngespinst. Wir waren zwar begeisterte Europäer und auch Anhänger von festen Wechselkursen, so gesehen die ideale Zielgruppe für den Werner-Plan. Aber das, was dort vorgeschlagen wurde, ging uns doch zu weit. Auch die Politik war noch lange nicht reif, sich auf ein solches Wagnis einzulassen.
Im Nachhinein aber muss man sagen: Die Welt bewegte sich schneller in die von Werner vorgeschlagene Richtung, als viele dachten. Als das Bretton-Woods-System Anfang der 1970er Jahre zusammenbrach und die Welt zu einem System flexibler Wechselkurse überging, beschlossen die europäischen Länder, die Währungsschwankungen untereinander zu begrenzen. Sie ließen unbegrenzte Wechselkursbewegungen nur noch gegenüber Drittwährungen zu. Das war die sogenannte »Schlange im Tunnel«.
Ende der 1970er wurde das Ganze formalisiert zum Europäischen
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