Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Wirtschaft ab. Erhöht es die Steuern, können die Unternehmen in die Nachbarländer ausweichen. Verschärft es die Umweltvorschriften, kommt es ebenfalls zu Ausweichreaktionen der Betroffenen, genauso bei der Einführung von Verbraucherschutzmaßnahmen. Durch solche Ausweichreaktionen wird der Nationalstaat in seiner Macht und Gestaltungskraft erheblich eingeschränkt.
Ist der Grad der Globalisierung gering, wird der Nationalstaat nicht sehr beschränkt. Je mehr aber der Außenhandel in einer Volkswirtschaft steigt, umso geringer der Nutzen beziehungsweise größer der dann überproportional zunehmende Schaden für den Nationalstaat. Der Nationalstaat fühlt sich in seiner Souveränität immer stärker bedroht.
Nun kann man diese beiden Effekte in einer Grafik (siehe Abb. 6) zusammenfassen, und dann zeigt sich: Am Anfang ist die Wirkung der Integration der Volkswirtschaften eindeutig positiv auf den Nationalstaat. Die Effekte der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung auf den Wohlstand der Gesellschaft sind größer als die Nachteile, die sich die Regierungen durch eine Beschränkung ihres Machtbereichs einhandeln. Alle sind glücklich, wenn es mehr Außenhandel und mehr Globalisierung gibt.
Mit der Zeit ändert sich das. Die positiven Effekte der internationalen Arbeitsteilung werden geringer, und umgekehrt steigen die negativen Wirkungen auf die Souveränität des Staates. So erreicht der Nutzen irgendwann ein Maximum, danach lässt er nach, das heißt, dass jede weitere Globalisierung sich per Saldo negativ auf den Nationalstaat auswirkt. Die ökonomischen Vorteile sind nicht mehr groß genug, um die politischen Nachteile aufzuwiegen.
In dieser Phase des nachlassenden Nutzens und der politischen Nachteile befinden sich die Staaten der EU mit der Integration. Mit jeder Zunahme der Integration wird ihr Nutzen für den Nationalstaat geringer. Eigentlich müssten die Nationalstaaten jetzt die Konsequenz ziehen und die Integration wieder verringern, in keinem Fall aber weiter ausbauen. Wie kann man erwarten, dass sich in einem solchen Umfeld der Euro positiv entwickelt und die Integration der Europäer voranbringt?
Die Lösung kommt von oben
Diese Zwickmühle erklärt das gegenwärtige ambivalente Verhalten der Regierungen der EU-Mitglieder zu Europa. Aus ökonomischen Gründen müssten sie die Integration, auch die Währungsunion, fördern, haben gleichzeitig aber politische Bedenken. Wollen und Nichtwollen halten sich in etwa die Waage. In einer solchen Situation kann man nicht erwarten, dass Europa ein entschlossenes Bild in der Welt abgibt. Man kann nicht davon ausgehen, dass die Integration vorankommt und dass Krisen konsequent und mit Engagement bekämpft werden.
Und noch ein weiterer Aspekt ist zu bedenken. Unabhängig von der engeren Verflechtung in Europa verändert sich das weltwirtschaftliche Umfeld. Es kommen immer mehr unabhängige Staaten auf die internationale Bühne, die ihre eigenen Interessen haben und bei globalen Fragen mitreden wollen. Das bedeutet, dass jeder einzelne Nationalstaat – unabhängig vom Stand der Integration im Innern – international weniger zu sagen hat, mehr Rücksicht auf die anderen nehmen und, wenn er etwas erreichen will, Verbündete für seine Position finden muss. Als die Vereinten Nationen am Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet wurden, hatten sie gerade einmal 50 Mitglieder. Da hatte ein einzelner Staat wie Deutschland oder Frankreich einen Anteil von jeweils 2 Prozent an den Stimmen in der Weltgemeinschaft.
Inzwischen gibt es über 190 Mitglieder, und Deutschland macht nur noch 0,5 Prozent aller Stimmen aus. Der Einfluss ist rein rechnerisch auf ein Viertel geschrumpft. Hinzu kommt, dass mit der Expansion der Schwellen- und Entwicklungsländer ganz neue Schwergewichte wie China, Indien, Indonesien oder Brasilien auf der globalen Ebene aufgetaucht sind. Sie haben den Einfluss der einzelnen europäischen Staaten noch mehr verringert.
Dieser Effekt verkleinert den Nutzen der Globalisierung für den Nationalstaat noch mehr, das heißt, für jedes Maß an Integration wird der Nutzen für die einzelnen Nationalstaaten geringer (die Kurve aus Abb. 6 verschiebt sich nach unten, dargestellt in Abb. 7).
Zu ihrem eigenen Schutz müssten die Nationalstaaten in diesem Moment den Außenhandel beschränken und die Integration behindern. Doch Nationalstaaten können nur die Einbindung ihrer eigenen Wirtschaft in die Weltwirtschaft beeinflussen.
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