Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Europas in den letzten Jahren immer größer geworden. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im Frühjahr 2006 turnusmäßig Ratspräsidentin war, wurde das in Berlin zum wichtigen Thema. Frau Merkel kümmerte sich mit viel Engagement um europäische Fragen. Sie tat alles, um die letzten Reste der Verfassung in den Lissabon-Vertrag einzubauen und dafür eine Mehrheit in der Europäischen Union zu finden. Mit Erfolg. Sie wurde als Mrs. Europa gefeiert.
Wenige Jahre später war die Euphorie verflogen. Frau Merkel wurde als »Madame No« verschrien, weil sie bei der Konstruktion der Rettungsschirme in der Euro-Krise das Portemonnaie zuhielt. Ihr wurde unterstellt, sie handle in europäischen Fragen vornehmlich mit Blick auf die Popularität beim deutschen Wähler. Bei der Wahl des ersten Präsidenten des Europäischen Rats plädierte sie nicht für eine möglichst starke Persönlichkeit, die Europa ein Gesicht geben könnte. Sie votierte vielmehr für einen Kompromisskandidaten, den niemand kannte und dem es in seiner Amtszeit auch nicht gelungen ist, ein stärkeres Profil zu erreichen.
Das Auf und Ab der Krise
Unter solchen Bedingungen an der »Spitze« ist es wenig verwunderlich, dass die Akzeptanz Europas beim Bürger geringer wurde. Die Kritik an Brüssel nimmt in der Öffentlichkeit – ob gerechtfertigt oder nicht – eher zu. Man sieht die Streitereien, man sieht das Negative, und man wendet sich ab. Es gab in der Geschichte der Union schon etliche Zeiten, in denen Europa in der Wahrnehmung der öffentlichen Meinung Tiefs erlebte. Ich hatte in den 1970er Jahren ein Angebot, als Volkswirt im Kabinett eines Kommissars in Brüssel zu arbeiten. Ich lehnte das damals ab, weil sich die Gemeinschaft in jener Zeit in erster Linie mit der gemeinsamen Agrarpolitik beschäftigte. Das fand ich für mich nicht so spannend.
Aber das, was wir heute erleben, übersteigt den damaligen Überdruss. Ich erinnere mich jedenfalls nicht, dass die allgemeine Kritik schon einmal so groß war. Das äußert sich auch in dem Frust der europäischen Beamten, die ein großes und wichtiges Arbeitspensum leisten, die alle Schwierigkeiten überwinden helfen, die dafür am Ende aber keine Anerkennung finden.
Vielfach wird gesagt, es liege daran, dass es in Europa an Führung mangelt. In der Tat gibt es keine Persönlichkeiten, die eine klare Vision von der Gemeinschaft haben, die wissen, wo es hingehen soll, und die die Menschen überzeugen und auf diesem Weg mitnehmen.
Es gibt auch keine Staaten, die diese Aufgabe übernehmen könnten. An sich wäre Deutschland als größte Volkswirtschaft mit den meisten finanziellen Ressourcen dazu prädestiniert, den Kontinent aus den Schwierigkeiten zu ziehen. Aber das passt nicht zu einer Gemeinschaft, die auf dem Prinzip der Gleichberechtigung von Großen und Kleinen beruht. Die Partnerstaaten würden eine so dominante Rolle der Deutschen auch kaum akzeptieren.
Die theoretische Begründung
Der Wiederaufstieg der Nationalstaaten und die Zurückdrängung der europäischen Institutionen kommen nicht von ungefähr. Sie haben einen guten Grund. Hier muss ich jetzt eine kleine theoretische Überlegung einfügen.
Zwischen Integration und Nationalstaat gibt es einen engen Zusammenhang. Auf der einen Seite bedeutet das wirtschaftliche Zusammenwachsen von Staaten, dass die einzelnen Volkswirtschaften von der steigenden internationalen Arbeitsteilung profitieren – Wachstum und Beschäftigung nehmen zu, der Nationalstaat freut sich und fördert es nach Kräften. So begann die Integration in Europa ja auch mit dem Abbau der Handelshemmnisse und der Zollunion.
Je mehr Integration und Globalisierung, umso besser also für den Nationalstaat und seine Bürger. Dieser Zusammenhang ist in der folgenden Grafik (Abb. 4) dargestellt.
Der Nutzen aus der internationalen Arbeitsteilung steigt bei zunehmendem Außenhandel, und dies vor allem zu Beginn der Entwicklung (die Kurve steigt steil nach oben). Das bedeutet, dass jede Ausweitung des internationalen Handels hohe Wohlfahrtseffekte mit sich bringt. Je größer der Anteil des Außenhandels aber wird, umso weniger erhöht sich der Nutzen, viele Chancen des Handels sind dann bereits genutzt (die Kurve wird flacher).
Daneben gibt es aber noch einen anderen Integrationseffekt, der genau umgekehrt läuft und in der nächsten Grafik (Abb. 5) gezeigt wird.
Je mehr ein Land mit anderen verflochten ist, umso mehr nimmt der Einfluss der Politik auf die
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