Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Bundesbank. So etwas kam gut in der Öffentlichkeit an. Es machte die Institution glaubwürdig. Wenn die so für das Gold kämpfen, dann werden sie sich genauso für die Stabilität unserer Währung einsetzen, dachte manch einer.
Jetzt hatte die EZB die Chance, auch auf diesem Gebiet in den Fußstapfen der Bundesbank zu wandeln. Sie hatte die Möglichkeit, ebenso todesmutig für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen und dabei in der europäischen Öffentlichkeit »Punkte zu sammeln«.
Diese Kehrtwende war positiv, dennoch wird es einige Zeit dauern, bis die Fehltritte vergessen sind. Andererseits: Die amerikanische Notenbank schert sich um solche Grundsätze nicht im Geringsten. Sie hat Ende 2010 ein Programm beschlossen, das vorsieht, für 600 Milliarden Dollar amerikanische Staatspapiere zu kaufen. Sie hatte keinerlei Skrupel, sich an der Staatsfinanzierung zu beteiligen. Jeden Monat kaufte sie zwei Drittel der Staatspapiere, die die Treasury zur Finanzierung des laufenden Haushalts emittierte.
8. Mangelnde Konvergenz
Die größte Fehlentwicklung beim Euro war die, die man am spätesten bemerkt hat: das Auseinanderdriften der Konjunktur und der Preise in der Gemeinschaft. Alle Welt hatte erwartet, dass die Wirtschaft des Euro-Raums als Folge der Währungsunion stärker zusammenwächst. Wenn alle Mitglieder den gleichen Zins und die gleiche Geldmengenentwicklung haben, dann müssen sie sich auch bei Wachstum und Inflation angleichen. Zumindest müssen sich die Zyklen aneinander annähern. So jedenfalls sagen es die Lehrbücher.
Eingetreten ist davon aber leider nichts. Was man zunächst für eine Kinderkrankheit gehalten hatte, entpuppte sich relativ spät als ein gravierender Strukturfehler, der die ganze Währungsunion aufs Spiel setzen kann.
Schauen wir uns zunächst die Wachstumsraten an. Sie blieben in der Gemeinschaft nach der Einführung des Euro sehr unterschiedlich. Spanien expandierte seit Beginn des Euro um insgesamt 35 Prozent, Deutschland dagegen nur um weniger als die Hälfte (14 Prozent). In Italien ging es während des ganzen Zeitraums noch schleppender voran (8 Prozent). Solche Divergenzen erschweren eine gemeinsame Geldpolitik.
Noch schlimmer war, dass sich die Konjunkturzyklen nicht nur nicht angenähert, sondern im Gegenteil auseinanderentwickelt haben. In den 1980er und 1990er Jahren betrug der Abstand zwischen der höchsten und der niedrigsten Wachstumsrate bei den vier Großen der Gemeinschaft (Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien) im Schnitt 1,9 Prozentpunkte. Seit der Einführung des Euro ist er auf 2,4 Prozentpunkte gestiegen. Im Jahr 2010 lag er sogar bei 3,7 Prozentpunkten. In Deutschland nahm das reale Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 3,6 Prozent zu, in Spanien sank es dagegen um 0,1 Prozent.
Noch wichtiger ist die unterschiedliche Entwicklung der Preise und Inflationsraten in den einzelnen Ländern, die lange Zeit weitgehend unentdeckt geblieben war. Wir ärgerten uns über die Schuhe, die in Italien nicht mehr so billig waren. Wir sahen die steigenden Hauspreise und Mieten in Frankreich und Spanien. Natürlich haben die Ökonomen bemerkt, dass die Preise jedes Jahr in den einzelnen Ländern etwas unterschiedlich zunahmen. Sie haben es aber nicht so ernst genommen. Auch innerhalb der einzelnen Länder in der Bundesrepublik erhöhen sich die Preise unterschiedlich stark.
Über die Jahre haben sich daraus aber zum Teil erhebliche Diskrepanzen entwickelt. Ich war über das Ausmaß der Unterschiede selbst überrascht, als ich die entsprechenden Statistiken zusammenstellte. Die Grafik zeigt, dass von 1998 bis 2010 die Preise in Deutschland um insgesamt 20 Prozent gestiegen sind. In Spanien erhöhten sie sich mit 39 Prozent fast doppelt so schnell, in Griechenland betrug die Inflation in diesem Zeitraum sogar 46 Prozent. Selbst in den Niederlanden, die manche gerne zusammen mit Deutschland in einem Nord-Euro sähen, wuchsen die Preise deutlich schneller als in der Bundesrepublik (29 Prozent).
Nur in zwei Ländern war die Stabilität in etwa so ausgeprägt wie in Deutschland. Das eine Land ist – kaum überraschend – Österreich, das mit Deutschland durch die über Jahrzehnte festen Wechselkurse und die gemeinsame Stabilitätskultur so stark zusammengewachsen ist, dass sich hier keine Ungleichgewichte mehr ergeben konnten. Das andere Land – damit hatte ich nicht gerechnet – ist Frankreich. Eigentlich gehörten die Franzosen früher immer zu
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