Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
den Ländern, die der Inflation nicht sehr kritisch gegenüberstanden. Doch schon weit vor der Währungsunion zielte Frankreich auf einen »Franc fort«, um gegenüber den Deutschen nicht zurückzufallen. Zusätzlich spielt auch in diesem Fall die enge Handelsbeziehung mit Deutschland eine Rolle.
Preisdifferenzen von 10 Prozent sind – selbst wenn sie sich »nur« über einen Zeitraum von zehn Jahren ergeben – auf Dauer nicht mit einer Währungsunion vereinbar. Sie führen zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Wie wollen Unternehmen in Spanien, Holland oder Italien mit deutschen Firmen auf den Weltmärkten mithalten, wenn sie über die Preis- und Lohnentwicklung derart benachteiligt werden? Sie müssen langfristig im Wettbewerb zurückfallen. Die Folge sind Leistungsbilanzdefizite und/oder – noch schlimmer – eine Abwanderung von Unternehmen in die stabileren Regionen. Damit werden die Arbeitsplätze endgültig vernichtet. Kein Land kann sich so etwas leisten.
Es gibt viele Gründe, mit denen man diese Fehlentwicklungen herunterspielen und sich trösten kann. Das Zusammenwachsen der Volkswirtschaften durch eine gemeinsame Geldpolitik braucht Zeit. Das geht nicht im Handumdrehen, vor allem nicht, wenn die Ausgangslage der Volkswirtschaften so unterschiedlich ist.
Viele meinten, für die Integration der Mitglieder in dem gemeinsamen Binnenmarkt müsse man nur die Eintrittsbarrieren herunterreißen und der Markt richte alles Weitere schon von selbst. Weit gefehlt. Märkte sind heute auf so viele unterschiedlichen Weisen reguliert, dass sie nicht einfach zusammengewürfelt werden können. Da müssen die Standards der Produkte harmonisiert und steuerliche Vorschriften auf einen Nenner gebracht werden. Da gibt es unterschiedliche Sicherheits- und Umweltvorschriften, schwierige Standortfragen und vieles andere mehr. Das Zusammenwachsen des Marktes ist noch komplizierter und aufwendiger als das der Währungspolitik. Doch ohne Regelung kommen auch die Volkswirtschaften nicht zusammen. Der Binnenmarkt ist schon 1992 ins Leben gerufen worden, also weit vor der Währungsunion, aber immer noch nicht voll realisiert.
Schwierigkeiten mit dem gemeinsamen Markt
Auch unterschiedliche Stabilitätskulturen gleichen sich nicht so schnell an. In Deutschland reagieren die Konsumenten besonders empfindlich auf Preissteigerungen, in Italien oder in Griechenland ist die Sensibilität weit weniger ausgeprägt. Natürlich sind Gesellschaften lern- und anpassungsfähig. Wenn sie merken, dass in einer Währungsunion kein Weg an einer gemeinsamen Stabilität vorbeiführt, dann werden sie die Konsequenzen ziehen und sich aneinander annähern. Es geht nicht darum, aus jedem Italiener einen Deutschen zu machen oder aus jedem Deutschen einen Spanier, sondern nur darum, dass sie sich noch stärker annähern. Aber auch das braucht das Zeit – nicht nur zehn Jahre, sicher eine Generation, vielleicht sogar mehr.
Im Übrigen gibt es selbst in den USA, die schon so lange eine Währungsunion sind, unterschiedliche regionale Konjunkturen. Kalifornien oder der Mittlere Westen sind so weit von New York oder Florida entfernt, dass sich hier vieles unterschiedlich entwickelt. Auch in einem so relativ kleinen Staat wie der Bundesrepublik ist in Bayern nicht alles so wie in Nordrhein-Westfalen oder Mecklenburg-Vorpommern.
Trotz all dieser Beruhigungsversuche: So einfach kann man über die Sache nicht hinweggehen. Dies umso mehr, als die genannten Fehlentwicklungen zu einem wesentlichen Teil durch den Euro selbst gemacht sind und bisher niemand etwas getan hat, das zu beseitigen. Im Gegenteil: Im Jahr 2011 ist Europa gerade dabei, in eine neue Fehlentwicklung hineinzulaufen. Das muss ich erklären.
Als der Euro 1999 als Buchgeld eingeführt wurde, haben sich die Zinsen in der Gemeinschaft angeglichen. In einer Währungsunion kann es nur einen kurzfristigen Zins geben. Anders ist es bei den langfristigen Zinsen, die entsprechend der unterschiedlichen Bonität der Länder auch verschieden sein können. In der Anfangszeit des Euro hat man aber nicht viel auf die unterschiedlichen Bonitäten geschaut. Die Zinsdifferenzen waren daher auch im langfristigen Bereich sehr niedrig – wie wir heute wissen, zu niedrig.
Theoretisch hätte sich der Zins auf einem Mittelwert einpendeln können zwischen den Ländern mit hohen Sätzen und denen mit niedrigen. Das war aber nicht der Fall. Die neuen Sätze im Euro-Raum entsprachen fast genau den Zinsen,
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