Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
Geld zu sorgen. Dieses strikte Bekenntnis zu Europa wurde nicht zuletzt vom ersten Präsidenten der EZB, Wim Duisenberg, konsequent gefördert.
Ein Problem ist, dass der Euro kein Gesicht hat, mit dem er in der Öffentlichkeit assoziiert wird. In den D-Mark-Zeiten stand die Person des Bundesbankpräsidenten für die D-Mark. Namen wie Helmut Schlesinger, Karl Otto Pöhl oder Hans Tietmeyer bürgten mit ihrer Persönlichkeit für die Stabilität. Jeder kannte sie in der Öffentlichkeit. Sie waren im Fernsehen oft zu sehen. Sie waren der »Mr. D-Mark«. Europa ist zu groß, als dass der Präsident der Europäischen Zentralbank jedem Bürger bekannt sein könnte. Jean-Claude Trichet, der jetzige Präsident, ist zwar ein sympathischer und glaubwürdiger Mann. Aber wer kennt ihn schon in der breiten Öffentlichkeit? Er war zwar ab und an im deutschen Fernsehen. Aber da er dort nur Englisch spricht, hinterlässt er keine so bleibende Wirkung. Wenn man die Öffentlichkeit heute nach einem Mister Euro fragen würde, dann würde der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel (der die Einführung des Euro vorbereitet und in die Wege geleitet hatte) sicher häufiger genannt als Trichet.
So etwas macht man nicht
Also alles in Butter mit der Europäischen Zentralbank? Keine Zweifel? Leider nein. Die EZB ist hochprofessionell und stabilitätsbewusst. Sie ist aber kein Kämpfer. Manchmal aber muss man für seine Überzeugungen auch kämpfen.
Es war in der Euro-Krise, als diese Haltung zum Problem wurde und die EZB gehörig an Standing verlor. Zuerst lockerte sie die Qualitätsanforderungen an die Sicherheiten, die sie von griechischen Banken bei der Einlieferung von Wertpapieren verlangte. Später geschah das auch bei Wertpapieren anderer Schuldnerländer. Dann – und das war der schlimmste Fehltritt – kaufte sie Wertpapiere der Schuldnerländer auf dem offenen Markt. Damit engagierte sie sich unmittelbar bei der Staatsfinanzierung.
So etwas macht eine Zentralbank nicht. Das ist ein ehernes Gesetz, gegen das die EZB verstoßen hat. Wenig geschickt war es auch, dass sich die EZB an der Troika beteiligte, die die Konsolidierungsmaßnahmen in Griechenland überwachte (zusammen mit dem IWF und der EU-Kommission). Damit wurde sie in die Verantwortung für die Fiskalpolitik hineingezogen, mit der sie an sich nichts zu tun haben sollte.
In der Begründung verharmloste sie das Problem der Käufe von Staatsanleihen. Sie sagte, sie tue das nicht, um die Haushalte Griechenlands, Portugals oder Irlands zu finanzieren. Sie wolle lediglich das Funktionieren des Transmissionsmechanismus der Geldpolitik sicherstellen. Das war de iure richtig, de facto aber eine Ausrede. Tatsächlich hat die EZB damit den Rubikon solider Geldpolitik überschritten. Der damalige deutsche Bundesbankpräsident Axel Weber, selbst Mitglied im Governing Council der EZB, kritisierte das Vorgehen auch scharf in der Öffentlichkeit und trat später sogar von seinem Amt zurück. Positiv war lediglich, dass die EZB die Liquiditätswirkungen dieser Operationen an anderer Stelle neutralisierte.
Je länger die Situation andauerte, umso unwohler fühlte sich auch die EZB in ihrer zwiespältigen Rolle gegenüber der Finanzpolitik. Im Sommer 2011 wurde es – so erschien es jedenfalls in der Öffentlichkeit – ihrem Chefvolkswirt Jürgen Stark zu bunt. Er äußerte schwere Bedenken gegen die Umschuldung der griechischen Schulden, die vor allem von der deutschen Regierung ins Gespräch gebracht worden war. Er forderte, dass sich die EZB wieder auf ihre eigentliche Aufgabe als Hüterin der Preisstabilität konzentriere.
Das war am Anfang starker Tobak. Zuerst kam die Forderung nur von Stark alleine. Dann aber schlossen sich ihr immer mehr Mitglieder des Governing Council an – auch Trichet und sein Nachfolger Draghi. Wichtig war, dass auch der neue deutsche Bundesbankpräsident Jens Weidmann – obwohl bis vor kurzem noch Wirtschaftsberater der deutschen Bundeskanzlerin, also auf der anderen Seite stehend – sich dieser Linie anschloss. Die EZB kämpfte, zum ersten Mal in ihrer Geschichte.
Eine wichtige Rolle für den Nimbus der Bundesbank und der harten D-Mark spielten die Auseinandersetzungen, die die Bundesbank mit der Regierung hatte. Das war der Streit mit Bundeskanzler Adenauer, das war später der Streit mit Helmut Schmidt, und das war noch kurz vor der Einführung des Euro der Streit mit Finanzminister Waigel um das Gold in den Tresoren der
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