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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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wenn man einmal darauf verzichten zu können glaubt, darf man sicher sein, dass ein hilfreicher Mensch aus Medien oder Politik einem assistierend zur Seite tritt und das nötige Blatt, sprich: den Maulkorb, vor den Mund hält.
    Der bekannte Schweizer Journalist und Chefredakteur der Züricher Weltwoche , Roger Köppel, hat Anfang September 2010 der FAZ seine Beobachtungen zum Fall Sarrazin mitgeteilt. Bei dem ganzen Vorgang hätten ihn nicht einmal so sehr die »gehässigen Äußerungen Michel Friedmans oder das absonderliche Bildschirmtribunal des Reinhold Beckmann« erstaunt, sondern »die Stellungnahmen der Kanzlerin, des Bundespräsidenten und der Minister Westerwelle, Schäuble und zu Guttenberg. Sie alle forderten mehr oder minder direkt die unehrenhafte Entfernung Sarrazins aus seinem Posten«.
    Auch mir ist aufgefallen, dass die Auseinandersetzung gerade in den Öffentlich-Rechtlichen auf äußerst einseitige Weise behandelt wurde. Ob Beckmann, Kerner oder Plasberg, jeder hat
sich nach Kräften bemüht, den Geist, den Sarrazin freigesetzt hatte, wieder in die Flasche der politischen Korrektheit zurückzuzwingen. Aus dem Fall Sarrazin sollte schnellstmöglich der Fall Sarrazins werden.
    Dafür warf man selbstverständlich sämtliche Regeln fairer Berichterstattung und ausgeglichener Besetzung der Talkrunden über Bord. Der Eindruck, Sarrazins Buch enthalte ernstzunehmende Thesen, sollte gar nicht erst aufkommen. Da ich die meinungsbildenden Prozeduren der Talkshows ganz gut kenne, musste ich mehrmals über die Manipulationen lachen, die bei der Auswahl der Gäste oder der »Stimmen aus dem Publikum« vorgenommen wurden. Selbst der Applaus schien gesteuert. Mit journalistischer Freiheit hatte das so wenig zu tun wie Merkels Intervention mit Moral. Lachen musste ich auch darüber, dass zur gleichen Zeit, als man die Fairness der Presse den politischen Wünschbarkeiten opferte, von der Bundesregierung ein Gesetzentwurf »zur Stärkung der Pressefreiheit« eingebracht wurde.
    Anfang September ist Thilo Sarrazin von seinem Amt als Bundesbanker zurückgetreten - leider, wie ich hinzufügen muss. Er war nämlich ein guter Bundesbanker und hätte, so mutig, unabhängig, akribisch und selbstbewusst, wie ich ihn kannte, noch viel positiven Einfluss ausüben können, wenn er sich nicht allzusehr auf die Integrationsthematik festgelegt hätte. Das war nun einmal seine »offene Flanke«. Hätte ich beispielsweise in meiner Zeit als IBM-Chef einen Vorstand gehabt, der in seiner Freizeit ein Buch über ein politisches Thema verfasst und seine ganze Energie für Interviews, Talkshows und Lesungen aufgewandt hätte, wäre ich irgendwann an den Punkt gekommen, wo ich ihm gesagt hätte, er solle jetzt mal damit aufhören und Prioritäten setzen.
    Das habe ich Thilo Sarrazin am Telefon gesagt, und ich hatte den Eindruck, dass er das im Grunde auch so sah. Aber hatte
nicht der Bundesbankpräsident ihm schon zuvor seine wichtigsten Aufgaben entzogen? Als Sarrazin seine Entscheidung während einer Lesung in Potsdam bekanntgab, legte er großen Wert auf die Reihenfolge der Schritte, die zu seinem Entschluss geführt hatten. Zuerst hat die Bundesbank alle ihre Vorwürfe gegen ihn zurückgenommen, die sie im Zusammenhang seines Buches seitenlang aufgestellt hatte, damit der Bundespräsident ihn entlassen konnte, und dann hat die Bundesbank eben dieses Gesuch beim Bundespräsidenten zurückgezogen. Erst danach war er zum freiwilligen Abgang bereit.
    Während des qualvollen Prozesses, bei dem die Bundesbank sich seiner zu entledigen suchte, hatte er mich auf Sylt angerufen, wo ich gerade in einer Buchhandlung aus meinem Buch Die Abwracker gelesen hatte. Als treuer Staatsdiener und verantwortungsbewusster Staatsbürger, so sagte er mir, könne er sich kaum vorstellen, gegen den Beschluss des Bundespräsidenten zu klagen.
    Er ist dann kampflos zurückgetreten, zweifellos um die Konfrontation mit dem Staatsoberhaupt zu vermeiden, obwohl, wie ich hinzufügen muss, seine Chancen auf einen juristischen Sieg sehr gut gestanden hatten. Aber er zog es vor, in einer noblen Geste, die in der Öffentlichkeit als solche gar nicht begriffen wurde, den Bundespräsidenten zu schonen. Für mich ist und bleibt Thilo Sarrazin, der von der politischen Klasse und den Medien buchstäblich zur Strecke gebracht wurde, ein Ehrenmann. Übrigens konnte ich förmlich hören, welch schwerer Stein Christian Wulff vom Herzen fiel - so weit entfernt vom Schloss

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