Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
Grundeigenschaften der menschlichen Rasse. Wer die Intelligenz
der Kant'Takki verleugnete und sich nicht die Mühe machte, sich über
ihre komplexe und seit Jahrtausenden friedliche und stabile Kultur zu informieren,
brauchte jedoch nur dem Blick der schwarzen Augen zu begegnen. Aus ihnen sprachen
ein Bewusstsein und eine Aufmerksamkeit, die jeden Gedanken an ein Tier sofort
unmöglich machten.
Der Vertreter der Kant'Takki wurde von Richterin Botha aufgefordert, seinen
Namen zu nennen und formulierte eine lange Reihe von Silben. Es gab wenige Leute
im Saal, die in ihnen mehr erkannten als eine hübsche Lautmalerei, doch
diese blickten mit neuem Interesse und Erstaunen auf. Wenn die Oberste der planetaren
Regierung der Kant'Takki eine Königin genannt werden konnte, so war dieser
Vertreter dort zumindest etwas wie die Kronprinzessin. Experten wussten, dass
die Oberste niemals das »Nest« – also den Planeten – verließ,
demnach hatte sie die höchst mögliche nächste Vertreterin geschickt.
Wenn es bisher Zweifel daran gegeben haben mochte, welchen Stellenwert das Verbrechen
und die Verhandlung für die Kant'Takki hatten, so waren diese jetzt ausgeräumt.
Nachdem die Formalitäten abgeschlossen waren, übergab die Vorsitzende
das Wort an die Kant'Takki, die keinen Anwalt mitgebracht hatte, sondern für
sich selber sprechen würde. Ein Moment der Stille trat ein. Die Nebenklägerin
saß sehr angespannt da und schloss kurz die Augen, hob den Oberkörper
und faltete die oberen vier Gliedmaßen über der breiten Brust. So
verharrte sie einige Augenblicke und ließ sich schließlich wieder
nach vorne fallen, so dass vier der Extremitäten als Beine genutzt wurden.
»Der Prozess wird gegen diesen Menschen dort geführt? Der, den sie
Anande nennen?«, fragte die Kant'Takki, und das im Helm eingebaute Übersetzungsmodul
füllte den Saal mit einer angenehmen, tiefen weiblichen Stimme.
»Ja. Das ist Jovian Anande. Er hat beim ›Holy Spirit Medics‹ -Konzern
die unerlaubten gentechnischen Experimente an einem Embryo Ihres Volkes vorgenommen«,
bestätigte Arna Botha.
»Und Sie sind sich sicher, dass Sie den richtigen Mann gefangen haben?«,
hakte die Nebenklägerin nach.
»Seine Identität wurde einwandfrei festgestellt, ebenso seine Beteiligung
an dem Verbrechen. Die Unterlagen der Anklage wurden von dem Gericht geprüft.
Es gibt keinen Zweifel mehr daran, dass Doktor Anande die Experimente geleitet
und zu einem großen Teil auch selbständig durchgeführt hat.«
Die Richterin sagte das beinahe beiläufig, aber Hwang Thang spürte
die Worte wie einen – wenngleich erwarteten – Schlag. Es war eine
kleine Hoffnung gewesen, aber immerhin eine Hoffnung. Gleichzeitig machte es
die Sache einfacher. Es ging jetzt um den Menschen Anande damals und heute –
nicht mehr um das Verbrechen selber.
»Es ist ein furchtbares Vergehen gewesen«, bestätigte die Kant'Takki.
Das Sprachmodul war so leistungsfähig, dass der mühsam gezügelte
Schmerz in ihrer Stimme deutlich wurde. »Die ganze Tragweite dieser Tat
ist vermutlich nur meinem Volk wirklich bewusst. Fragen nach den Ursachen und
Lieder der Trauer werden den Weg der Kant'Takki noch lange begleiten. Aber ich
bin heute umsonst hierher gekommen. Mein Volk zieht die Nebenklage gegen diesen
Menschen hiermit zurück.«
Mit Mühe konnte die Vorsitzende das erregte Gemurmel dämpfen, das
daraufhin im Saal aufklang.
»Können Sie mir diese Entscheidung erklären?«, fragte sie
dann, und die Kant'Takki antwortete mit einer vagen Geste.
»Vermutlich nicht wirklich. Sie wissen, dass mein Volk nicht nur mit den
Augen sehen kann – ohne sie sind die Dinge sogar oft deutlicher. Ich bin
stark darin und deswegen hat mich die Oberste hierher entsandt. Ich sehe, dass
dieser Anande keine Gefahr für irgendjemanden unseres Volkes darstellt
und – so wie er ist – auch kein solches Leid wie das, über das
hier gerichtet wird, über uns hätte bringen können. Ich weiß
nicht, ob er das Verbrechen damals begangen hat, und es ist mir gleichgültig.
Wir suchen Strafe nicht aus Rache für die Vergangenheit, denn dadurch wird
nichts wieder gut. Wir suchen Schutz für die Zukunft. Und der ist hier
nicht nötig.«
Die Kant'Takki machte eine Geste, die ein Abschiedszeichen sein mochte, und
wandte sich ab. Dann zögerte sie und sprach noch einmal zu der Richterin.
»Ich bin froh, dass dieser
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