Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
Mensch Anande keine Gefahr ist. Mein Herz singt.
Wir tragen dem, der er jetzt ist, nichts nach. Aber es sind andere hier, die
übles Ansinnen verfolgen. Wir hoffen, dass aus altem Leid nicht neues Leid
entsteht.«
Und mit diesen orakelhaften Worten verließ die ehemalige Nebenklägerin
den Saal und ließ alle verblüfft zurück. Um die ungewöhnliche
Wendung der Ereignisse sacken zu lassen, legte die Vorsitzende eine Gerichtspause
von einer halben Stunde ein.
Die letzten Reporter kamen gerade noch rechtzeitig zurück, um durch die
sich schließenden Saaltore zu schlüpfen. Kurz darauf wurde Sally
McLennane in den Zeugenstand gerufen. Als sie aufstand und zu der silbernen
Sensorplatte hinüber ging, sah sie zwischen den Journalisten einen Kilesen
– seine echsenhafte Erscheinung machte ihn unverkennbar. Das musste dieser
Ay sein, von dem Hwang erzählt hatte. Würde es ihnen wirklich helfen?
Und wenn ja, warum? Die Palette der Beweggründe war lang, und echte, altmodische
Reporterneugier war nur eine von vielen Möglichkeiten. McLennanes Erfahrungen
nach zudem nicht die wahrscheinlichste.
Die ehemalige Chefin der Rettungsabteilung setzte sich und hörte regungslos
zu, wie ihre Daten verlesen wurden. Dann straffte sie sich innerlich, als von
Bussev mit gelassenem Schritt zu ihr hinüber ging.
»Dies hier ist eine Frau, der Hunderte, ja vermutlich Tausende von Wesen
im Gebiet des Raumcorps zu Dank verpflichtet sind«, begann er in Richtung
der Zuschauer. »Denn sie hat dafür gesorgt, dass die Rettungsabteilung
auf Vortex Outpost ins Leben gerufen wurde – ohne sie gäbe es keine Ikarus, und zahllose Hilferufe von havarierten Schiffen wären ungehört
im All verklungen. Eine beachtliche Leistung, vor allem wenn man bedenkt, unter
welchen unguten Vorzeichen das ganze Projekt begonnen hat ...« Er wandte
sich der Zeugin zu und musterte kurz das hagere, verschlossene Gesicht. Die
kalten Augen begegneten seinem Blick ohne auch nur ein Anzeichen von Unsicherheit.
Entweder hatte diese Frau nichts zu verbergen oder so viel, dass sie es gewohnt
war, sich nichts anmerken zu lassen. »Ich habe leider nicht herausfinden
können, was Sie überhaupt nach Vortex Outpost verschlug. Meinen Informationen
nach hatten Sie über viele Jahre hinweg leitende Posten in der höchsten
Ebene der Raumcorpsverwaltung inne – eine seltsame Entscheidung, sich an
den Rand des Nirgendwo auf eine winzige, unbedeutende Raumstation versetzen
zu lassen.«
»Vortex Outpost ist bei weitem nicht so unbedeutend, wie es scheinen mag«,
erwiderte Sally, ohne auf die anderen Andeutungen einzugehen. »Wenn Sie
Ihre Unterlagen noch einmal durchgehen, dann werden Sie sehen, dass dort erstaunlich
interessante Dinge passieren.«
»Allerdings erst, seitdem die Rettungsabteilung dort stationiert ist«,
stimmte von Bussev zu. »Seither gab es dort einen Angriff auf das Sicherheitssystem
der Station, einen Überfall einer Söldnertruppe, mehrere Attentate
... nicht zu vergessen die Tatsache, dass die erste Ikarus auf höchst
mysteriöse Weise bei einem Einsatz explodierte und die Crew von einem Schluttnick-Transporter
zurückgebracht werden musste. Ein sehr buntes Bild.«
»Solche Dinge passieren am ›Rande des Nirgendwo‹, und der Einsatz
eines Rettungskreuzers ist immer mit Gefahren verbunden. Worauf wollen Sie hinaus?«
von Bussev gab seine leutselige Haltung auf und trat einen Schritt näher.
»Das Anfangsbudget der Abteilung war lächerlich gering, gerade genug
für den Umbau eines ausgemusterten redirischen Leichten Kreuzers und die
Anmietung von Verwaltungsräumen. Es blieb fast kein Geld für das Anheuern
der Crew übrig. Woher haben Sie Ihre Leute, die jetzt in den Medien als
Helden gefeiert werden?«
Sally McLennanes Lippen wurden noch eine Spur schmaler und ihre Stimme einige
Grade kälter.
»Es ist nicht die Crew der Ikarus , die hier vor Gericht steht. Es
geht nur um Doktor Anande. Und wenn Sie demnach wissen wollen, wie wir mit ihm
in Kontakt gekommen sind: Wir haben uns auf St. Salusa mit ihm getroffen und
einen entsprechenden Vertrag geschlossen. So ist es üblich, nicht wahr?
Schiffsleute werden nicht mehr in Bars betrunken gemacht und heimlich an Bord
eines Seelenverkäufers geschmuggelt.«
Den letzten Satz hatte sie locker und mit einem Lächeln gesagt, und sie
bemerkte sowohl die leise Amüsiertheit der Zuschauer, als auch die
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