Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
Operation noch
immer in Auftrag geben können.«
»Du meinst, einen Zauberdoktor finden, der in einer Hinterhofklinik Wunder
vollbringt?«
Hwang zuckte mit den Schultern und lächelte schwach. »Ja, das ist
mehr als unwahrscheinlich. Aber es wäre schön, einen Gegenbeweis liefern
zu können.«
»Ich will sehen, was ich machen kann. Ich kann dir nur sagen, dass ich weiß , dass Anande konzernintern gehirngemolken wurde. Aber ich
habe keine Beweise.«
Der Anwalt warf Sally einen verwunderten Blick zu, fragte aber nicht weiter
nach. Er hatte rasch gelernt, dass seine Freundin immer mehr wusste, als sie
irgendwem gegenüber zugab, und meistens waren ihre Informationen korrekt.
Das hatte sich in all den Jahren nicht geändert.
»Vielleicht bekommen wir noch unerwartete Hilfe von außerhalb«,
fügte Hwang nach einem Moment hinzu. »Ein junger Journalist des › Real‹ hat mich angesprochen, eine sehr renommierte Zeitung hier auf Regulus. Sein
Name ist Domak Ay aus dem Nest Xytra. Es wollte ein Interview mit mir, das ich
ihm natürlich verwehren musste, aber das ist hier die übliche Art,
Kontakt aufzunehmen.«
»Es?«
»Ay ist ein Kilese.«
»Oh. Wie ungewöhnlich.« Normalerweise waren Kilesen ebenso wenig
erpicht darauf, ihren Planeten zu verlassen, wie alle anderen Völker es
waren, ihn zu besuchen. Das Klima und die meteorologischen Verhältnisse
waren ebenso schwer auszuhalten wie die Dominanz der drei Monde, die riesenhaft
am Himmel hingen und bei zahlreichen Leuten regelrechte Panikanfälle auslösen
konnten.
»Und du meinst, es würde nützlich sein?«
»Vielleicht, das wäre nicht das erste Mal. Journalisten haben ihre
eigenen Wege und Quellen. Im Moment nehme ich alles, was ich kriegen kann, solange
es wahr ist und weiterhilft.«
Sally hob ihr Glas und prostete dem Anwalt zu, der den Gruß erwiderte.
Sie tranken beide den letzten Schluck und nahmen ihr Schweigen wieder auf wie
eine warme, vertraute Decke, die nach vergangenen Tagen roch. Dann blickten
sie noch eine Weile in das Feuer, das niemals herunter brannte.
Die blank polierte, dunkelgrüne Kralle tippte rhythmisch auf die Oberfläche
des Tisches. Gedankenverloren starrte Ay an die gegenüberliegende Wand.
Vor ihm lag ein Blatt mit all seinen Notizen von der Eröffnung der Verhandlung,
zahlreiche Kommentare hatten den Freiraum zwischen ihnen mit einem Muster winziger
Schriftzeichen gefüllt. Ays Kollegen warteten gespannt auf den Moment,
da der Kilese das erste zusätzliche Blatt an den Rand kleben würde,
und, sobald das ebenfalls mit seiner gleichmäßigen Schrift, zahlreichen
Pfeilen, Verweisen und Kästchen gefüllt war, dann das nächste.
Die Notizen Ays wuchsen wie ein organisches Wesen und am Ende von langen Nachforschungen
besaß es mitunter ein Plakat, groß wie eine altmodische Landkarte,
in deren verwirrender Topographie es sich nur ganz alleine auskannte. Dann brütete
Ay stundenlang über ihnen wie über einem Mandala, versenkte sich in
das Wirrwarr und kam zu erstaunlichen Erkenntnissen. Schließlich, meistens
über Nacht, wenn niemand anderes im Büro war, nahm es dieses Monster
von Notizblatt und schrieb daraus einen brillanten Artikel, zwanzig bis dreißig
säuberliche Manuskriptseiten, die morgens auf dem Rechner des Chefredakteurs
lagen. Was danach mit den Aufzeichnungen geschah, wusste niemand, aber es gab
zahlreiche Spekulationen, von denen die geläufigste war, dass der Kilese
mit ihnen seine Wohnung tapezierte.
Im Moment galt Ays Aufmerksamkeit dem grün umrandeten Namen ›Ulrich
Self‹. Während die meisten sich darauf stürzten, etwas über
den angeklagten Anande herauszufinden, hatte Ay ziemlich rasch erkannt, dass
es vermutlich nichts ans Tageslicht fördern würde, was die Anwälte
oder die Rettungsabteilung selber nicht schon gefunden hatten. Sofern es nicht
in den ›HSM‹ Konzern eindringen und sich in Ruhe die alten
Dateien ansehen konnte, war es sinnvoller, sich anderen Beteiligten zuzuwenden.
Die Datenbanken hatten über Ulrich Self genug Material. Der Wissenschaftler
war bei dem Konzern für die Erforschung der Fauna und Flora von Extremwelten
zuständig, um so neue Stoffe als Grundlage für Medikamente zu finden.
Demnach war er oft auf monatelangen Expeditionen unterwegs, weit entfernt von
St. Salusa – sonderbar, dass gerade er also Anandes Ankläger war und
nicht jemand, der mit dem Alltagsleben
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