Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
Verwunderung
auf Captain Sentenzas Gesicht. Sie wusste, was er dachte. Sie war nicht der
Typ für kleine Scherze, und das hier schien auch nicht der richtige Moment
zu sein, um damit anzufangen. Aber sie wollte von Bussev den Wind aus den Segeln
nehmen. Der Anwalt war auf eine Konfrontation aus, er wollte, dass sie ihre
Selbstbeherrschung verlor. Vermutlich hoffte er, sie würde im Zorn etwas
sagen, was sie bei kühlem Verstand verschwiegen hätte. Diese Denkweise
belustigte sie mehr, als dass sie darüber verärgert gewesen wäre.
Es war ein legaler Schachzug, aber es kränkte sie fast ein wenig, dass
er erwartete, sie würde darauf reinfallen.
»Sie haben sich auf St. Salusa mit ihm getroffen. Hatte ihr Budget noch
Platz für den Spitzenlohn, den ein erfahrener Arzt und Forscher wie Jovian
Anande verlangen konnte? Oder war er mit einem kleinen, chirurgischen Eingriff
als Anzahlung einverstanden, der ihn von ein paar lästigen Erinnerungen
befreien würde?«
»Weder das eine, noch das andere«, antwortete Sally kühl. »Wenn
ich einen Arzt mit den von Doktor Nicolas angedeuteten Fähigkeiten gehabt
hätte, wäre ich nicht nach St. Salusa auf die Suche gegangen. Nein,
als wir mit Doktor Anande in Kontakt traten, erinnerte er sich bereits an nichts
mehr.«
»An gar nichts?«, hakte von Bussev nach und die Zeugin zuckte mit
den Schultern.
»Seine fachlichen Qualifikationen waren noch immer überragend. Und
er kannte seinen Namen. Abgesehen davon wusste er nichts über seine entfernte
oder unmittelbare Vergangenheit.«
»Das hat Sie nicht misstrauisch gemacht? Immerhin war klar, dass es sich
bei dem Verlust der Erinnerung nicht um einen Unfall handeln konnte, sondern
nur um Absicht. Warum löscht man jemandem die Erinnerung?«
»Ich weiß es nicht, sagen Sie es mir.«
»Hat es Sie nie interessiert, was dahinter steckte?«
McLennane zuckte erneut mit den Schultern.
»Persönlich ja. Geschäftlich nein. Es sind alles Spekulationen.
Vielleicht war es ein misslungenes Experiment? Der letzte Schritt im Streit
zwischen exzellenten Ärzten, die über die Stränge schlugen? Vielleicht
wollte er eine unglückliche Liebe vergessen und ist zu weit gegangen? Wer
hätte das schon sagen können.«
»Warum sind sie ausgerechnet nach St. Salusa gekommen?,« wechselte
Gregor von Bussev plötzlich das Thema. Sallys Antwort kam ohne Zögern.
»Es gibt dort mehrere große medizinische Einrichtungen. Die Wahrscheinlichkeit,
dort einen jungen Arzt zu finden, der ein Forschungslabor gegen das schlechter
bezahlte Abenteuer eines Rettungskreuzers eintauschen wollte, schien uns ziemlich
hoch.«
»Und wie sind Sie auf Anande gekommen?«
»Wie Sie selber habe auch ich meine Kontakte und Informationsquellen. Es
heißt ›Die Straße spricht, wenn man ihr zuhört‹.
Ich denke, Sie kennen das Prinzip.«
von Bussev verzichtete darauf, die Reputation der Quellen seiner Zeugin in Frage
zu stellen, da sie soeben eine assoziative Verknüpfung zu seinen eigenen
hergestellt hatte. Es mochte nur eine Kleinigkeit sein, eine Andeutung, aber
es war das Risiko nicht wert, diesen Punkt weiter zu verfolgen. Die Art und
Weise, wie ein Anwalt an seine Informationen kam, wurde auf Regulus gerne in
den Medien behandelt, und das war ein Thema, dem von Bussev keine unnötige
Nahrung liefern wollte.
»Ihnen war bekannt, dass Anande von ›Holy Spirit Medics‹ kam?«, verlangte er stattdessen zu wissen, und Sally schüttelte den
Kopf.
»Nein. Wenn er es nicht wusste, woher sollte ich es dann wissen?«
»Sie haben nicht versuchte, etwas über ihn heraus zu finden?«,
erwiderte von Bussev ungläubig.
»Oberflächlich. Aber es gab keine offiziellen Daten über ihn,
und ich hatte, wie Sie schon mehrfach betont haben, nicht die finanziellen Mittel,
um eine weit reichende Untersuchung zu bezahlen. Seine Qualifikationen waren
gut, und er war bereit, der Rettungsabteilung beizutreten. Ich muss nicht die
Kindheitserlebnisse eines Angestellten wissen, um mit ihm arbeiten zu können.«
»Aber vielleicht seine Verbrechen und seine Charakterschwächen.«
»Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass Doktor Anande ein Verbrechen begangen
haben konnte, und im Zweifelsfalle, so sagt man doch, spricht das für den
Angeklagten. Und was die Charakterschwächen angeht – ich habe noch
niemanden in meiner ganzen Laufbahn getroffen, der in einem Vorstellungsgespräch
zugegeben
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