Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
des Rettungskreuzers. Seine
sicherlich gut gemeinten Interpretationen müssen daher auf jeden Fall im
Licht seiner Jugend, seiner noch geringen Praxiserfahrungen und seinem generellen
Status als Lernender gesehen werden.«
Thorpa stand wie vom Blitz getroffen da und starrte den Anwalt an. Die plötzliche
Wendung hatte ihn völlig überraschend getroffen, und seine neue gewonnene
Selbstsicherheit war dahin. Er erkannte genau, was von Bussev da tat, was er
zu erreichen versuchte, aber er konnte nicht verhindern, dass es ihn bis in
den Kern traf. Keiner, keiner würde seine Einschätzungen jetzt noch
wirklich ernst nehmen. Dabei war er sich so sicher, dass sie korrekt waren!
Wie in Trance bemerkte Thorpa, dass von Bussev das Wort an den Verteidiger von
Anande übergab. Der freundlich blickende, asiatische Mensch nahm den Platz
des anderen ein und wandte sich seinerseits an Arna Botha und die Zuschauer.
»Ich habe den Fragen meines Kollegen im Grund nicht viel hinzuzufügen
– die Aussagen Thorpas waren sehr umfassend und aussagekräftig. Vielen
Dank. Es gibt jedoch ein oder zwei Kleinigkeiten, die ich gerne noch ins rechte
Licht rücken würde.
Herr von Bussev hat auf die relative Jugend und Unerfahrenheit des Zeugen hingewiesen.
Vielleicht brauchen wir ein paar Hintergrundinformationen über das wegen
seiner Gelehrsamkeit berühmte Volk der Pentakka. Thorpa, wären Sie
so freundlich, uns da weiterzuhelfen?«
»Sicher. Bitte fragen Sie.« Selbst Thorpa bemerkte nun, dass seine
Stimme wieder höher geworden war. Dieser Auftritt als Zeuge brachte ihm
weitaus mehr persönliche Erfahrung, als er sich das hätte träumen
lassen.
»Mein Kollege hat darauf hingewiesen, dass Sie sich erst im zweiten Semester
befinden. Wie lange wird Ihr Studium insgesamt dauern?«
»Vermutlich zehn Semester, zumindest ist das der Regelfall.«
»Hm, ich befürchte, wir alle haben eine falsche Assoziation bei dem
Begriff ›Semester‹, der in der genauen Übersetzung ›Studienhalbjahr‹
bedeutet. Die Übertragung von Wörtern aus einer Sprache in die andere
beinhaltet immer die Gefahr der Verfälschung. Würden Sie uns bitte
sagen, wie lang ein Semester an der Universität auf Pentak dauert? In Standartjahren
gerechnet?«
Verwirrt raschelte Thorpa mit den Zweigen, dann begriff er, worauf Herr Thang
hinaus wollte. Es verblüffte ihn, dass ihm es ihm selber noch nie richtig
aufgefallen war.
»Etwa fünf Jahre,« gab er zur Antwort und bemerkte, wie im Zuschauerbereich
Gemurmel aufklang. »Mein Heimatplanet Pentak braucht umgerechnet zehn Jahre,
um einmal um unser Zentralgestirn zu kreisen. Als wir den Begriff ›Semester‹
übernommen haben, ist uns diese Möglichkeit zur Fehlinterpretation
nicht aufgefallen.«
»Fünf Jahre. Das bedeutet, Sie haben mit dem Abschluss ihres ersten
Semesters bereits fünf Jahre Studium hinter sich, also zehn unserer Semester.
Nach menschlichen Maßstäben würde ein Psychologiestudent jetzt
kurz vor seinem Examen stehen. Und auch Ihr Praktikum läuft nun schon seit
weit über einem Jahr, eine nicht unbeachtliche Zeit in einem sehr bewegten
Umfeld, das reichliche Möglichkeiten zum Sammeln verschiedener und anspruchsvoller
Erfahrungen bietet.
Um nun noch auf die relative Jugend des Zeugen zurück zu kommen –
sicherlich ist jedem klar, dass ein Volk, das ein Studium mit der Dauer von
50 Standartjahren als normal empfindet, auch eine andere Lebenserwartung und
somit eine andere Zeiteinteilung hat. Bitte sagen Sie uns, Thorpa, wie alt Sie
in Standartjahren gerechnet sind.«
»Das sind ... äh ... ziemlich genau 42 Jahre.«
Der Pentakka konnte nicht umhin, den Schachzug des Verteidigers zu bewundern,
aber er musste sich zurückhalten, um nicht alles zu verderben. Sicher,
er war über vierzig irdische Jahre alt, aber das wollte noch gar nichts
heißen. Einen großen Teil dieser Zeit hatte er als Schössling
verbracht, in der selig selbstvergessenen Kindheit seines Volkes, die fast zwanzig
Standartjahre andauerte. Erst dann hatte er mit der Ausbildung seiner Persönlichkeit
im eigentlichen Sinne begonnen, hatte angefangen zu lernen und Erfahrungen jenseits
des ›Friedvollen Hains‹ zu sammeln. Verglichen mit den in ihrer Entwicklung
so viel schnelleren Menschen war er vielleicht achtzehn oder neunzehn?
Und auch die fünf Jahre seines Studiums hatten eine ganz andere Bedeutung,
wenn man bedachte, was
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