Rettungskreuzer Ikarus Band 023 - Flucht von Borsai
das Erhabene Kannya verließ
oder betreten durfte?
M'neel hatte versprochen, aktuelle Auskünfte einzuholen. Jason mochte sich
nicht auf Daten verlassen, die schon einige Jahrzehnte alt waren und seit Ansareks
Tod nicht mehr gründlich überprüft worden waren. Er hatte darauf
bestanden, dass man die Vorgänge in und um das Erhabene Kannya genauestens
studierte und ihm dann einen detaillierten Bericht zukommen ließ.
Besonderen Wert legte er darauf zu erfahren, bei welchen Gelegenheiten der Schutzschirm
geöffnet wurde, wer oder was hineinging oder herauskam und wie lange eine
Lücke das Kraftfeld in diesem Moment schwächte. Jason hatte zwar noch
keinen konkreten Plan, war jedoch davon überzeugt, dass diese Informationen
essentiell waren für das Gelingen seines Vorhabens, Shilla zu befreien.
Ferner hatte er eine Liste von Bauteilen erstellt, die er benötigte, um
ein Gerät zu basteln, das notwendig war, um Shilla aus ihrem goldenen Käfig
zu holen. Es war nicht anzunehmen, dass sie – sich erinnernd an ihre gemeinsame
Zeit und… Freundschaft? – freiwillig mit ihm gehen würde. Es
mussten Vorkehrungen getroffen werden, die sicherstellten, dass Shilla Jason
und seine Kameraden nicht töten oder ihnen sonstigen Schaden zufügen
würde. Auch die kleinste Chance zur Flucht musste ihr genommen werden.
Die eine oder andere notwendige Komponente konnte er an seiner Arbeitsstelle
heimlich einstecken. Glücklicherweise hatten die Sicherheitsleute keinerlei
technische Schulung erfahren, sodass sie nicht in der Lage waren, einen Lötkolben
von einem Mini-Teilchenbeschleuniger zu unterscheiden.
Immer wieder verblüffte Jason die Einfachheit vieler Maschinen und Werkzeuge
wie auch der Material- und Qualitätsmischmasch, dem er begegnete. Es wäre
für ihn ein Leichtes gewesen, Verbesserungen anzubringen, aber was hatte
er davon? Letztlich half er damit seinen potentiellen Gegnern und brachte sich
in Gefahr, weil man früher oder später auf ihn aufmerksam werden mochte.
Selbst wenn offensichtlich war, dass die Reparatur mit den zur Verfügung
stehenden Mitteln und den begrenzten Fachkenntnissen der Arbeiter den Fehler
nicht beseitigte, sondern nur eine vorübergehende Maßnahme darstellte
und der Pilot des fraglichen Schiffes beim Abflug womöglich seinem sicheren
Ende entgegensteuerte, hatte Jason keine Wahl, um seine Tarnung nicht zu gefährden.
Später konnte er darüber nachdenken und bedauern, wie viele Leben
er wegen unterlassener Hilfeleistung auf dem Gewissen hatte. Falls es ein Später
gab.
Noch ein weiteres Problem beschäftigte Jason. M'neel und die Philosophen
glaubten nach wie vor, dass Taisho sie zu einem geheimen Depot Ansareks führen
würde, wo sie das Implantat zu finden hofften. Der Trick hatte zwar dazu
geführt, dass man Jason bedingungslos unterstützte, aber sie würden
sich nicht auf Dauer hinhalten lassen. Peinlich vermieden sie alle das Thema,
wer und wie das Gerät eingesetzt werden sollte, falls es auftauchte, was
deutlich machte, dass die Rebellen nicht daran dachten, es Jason für seine
Pläne zu überlassen. Egal, irgendwann würde das Geheimnis aufgedeckt
werden. Wie die Philosophen darauf reagieren mochten, dass man sie hintergangen
hatte, war nicht abzuschätzen. Und darin lag die wirkliche Gefahr.
Zu gern hätte Jason gewusst, ob das Implantat wirklich so funktionierte,
wie behauptet wurde. Bisher hatte sich keine Gelegenheit für einen Test
ergeben. Erst das Betreten des Erhabenen Kannya würde die Wahrheit ans
Tageslicht bringen. Außerhalb der Tabuzone spielte es keine Rolle, aber
in der Angelienklave würde er hoffentlich akzeptiert werden als jemand,
der das Recht hatte, sich dort aufzuhalten. Wenn er es überhaupt schaffte
hineinzukommen.
Einige Tage blieben Jason noch. Während er nach Dienstschluss emsig an
der Maschine schraubte, für die er immer mehr Teile zugespielt bekam –
seinen nicht eingeweihten Mitbewohnern hatte er weisgemacht, es handle sich
um einen Radioempfänger, durch den sie in Kürze Musik und Nachrichten
würden empfangen können –, streifte Taisho mit M'neel und dem
einen oder anderen Mitglied ihrer kleinen Gruppe unauffällig durch die
Gegend, zum einen, um Tukinohune auszukundschaften, zum anderen, um nach dem
angeblichen Versteck Ausschau zu halten. Noch gaben sich die Philosophen mit
der Ausrede zufrieden, dass es schwierig war, das Bild der
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