Rettungskreuzer Ikarus Band 024 - In den Gärten der Tomakk
schon viel erlebt und hatte schon so oft geglaubt, sein letztes Stündlein
hätte geschlagen – aber wenn ihm mal einer erzählt hätte,
sein Leben würde damit enden, dass er von einem überdimensionalen
Bimsstein einfach weggeschmirgelt werden sollte ... Er hätte ihn ausgelacht.
Inzwischen war ihm das Lachen vergangen, und ihm wurde plötzlich mit schmerzhafter
Klarheit bewusst, dass ihm in wenigen Momenten auch die Puste ausgehen würde.
Der Marsch durch den Dschungel hatte an seinen Kräften gezehrt; seine Muskeln
waren übersäuert und seine Lungen brannten wie Feuer. Sein Herz schlug
ihm bis zum Hals, und es pochte in seinen Ohren. Er wagte nicht, sich umzudrehen.
»Renn!«, hörte er Taisho brüllen. Der jüngere Mann
war inzwischen gut fünfzig Meter vor ihm. Es war jetzt nicht mehr weit
bis zu der Halle, aus der sie gekommen waren.
Die Halle, in der Shilla auf ihn wartete ...
Jason taumelte.
Jetzt bloß nicht stolpern!
Er machte einen Ausfallschritt, fand seinen Rhythmus wieder und lief schnell
weiter. Der Gedanke an Shilla hatte ihm neue Kraft gegeben. Sie brauchte ihn
doch, und wenn er sich hier von diesem blöden Stein zerquetschen ließ,
konnte er ihr nicht mehr helfen. Dann wäre alles umsonst gewesen ...
Und außerdem wollte er allmählich nach Hause.
Er startete durch und hatte Taisho fast schon wieder eingeholt, als sie das
Ende des Korridors erreichten.
»Asahi!«, kreischte Taisho.
»In Deckung!«, raspelte Jason mit dem letzten, brennenden Atemzug,
dann bog er um die Ecke und warf sich völlig erschöpft auf den staubigen
Boden der großen Halle.
Das sandige Knirschen, das ihn verfolgt hatte, verstummte wie auf Kommando.
Hustend und krächzend kamen die Männer wieder auf die Beine. Jasons
Knie zitterten, als er aufstand, und seine Wadenmuskeln fühlten sich so
hart an wie der Felsblock, der ihnen nach dem Leben getrachtet hatte.
»Alles noch dran?«, fragte Taisho und klopfte sich den Staub aus den
Kleidern.
»Weitestgehend«, ächzte Jason. Er sah sich benommen um. »Da
hol mich doch der – wo ist er denn?«
Er hatte eigentlich erwartet, dass der Steinquader in voller Schussfahrt in
die Halle gerast wäre, um an der gegenüberliegenden Wand wie ein Komet
einzuschlagen.
Doch die Halle war leer.
Zögernd spähte er in den Korridor zurück. Zu seinem Erstaunen
stellte er fest, dass der Felsblock sauber in dem Torbogen eingerastet war und
den dahinter liegenden Gang fugenlos versiegelt hatte.
»Das gibt's doch gar nicht«, murmelte Taisho ungläubig. »Der
hätte doch mit voller Wucht hier herein ...«
»Es sei denn«, unterbrach Jason den Gedankengang seines Kameraden,
»etwas hat ihn rechtzeitig abgebremst.«
»Oder jemand .«
Jason kratzte sich am Kinn. »Ja. Oder jemand .«
Erschöpft setzte er sich auf den Boden. Er lehnte sich mit geschlossenen
Augen an den kühlen Granit, der fast sein Tod geworden wäre, und wartete,
bis sich sein Puls beruhigt hatte und sein Atem wieder normal ging.
Dann schlug er die Augen auf und sah sich um. Taisho lag ausgestreckt auf dem
Boden und machte ebenfalls eine Verschnaufpause.
Sie beide waren allein.
Jason räusperte sich. »Sag mal, wo sind eigentlich Shilla und Asahi?«
Taisho setzte sich auf und fuhr sich mit der Hand durch das verschwitzte schwarze
Haar. »Äh, jetzt, wo du's sagst ...«
Jason sprang auf und lief in die Mitte der Halle. »Asahi! Wo steckst du?«
Taisho formte mit den Händen vor dem Mund einen Schalltrichter. »Asahi!
Asahi Drel!«
Nur das dumpfe Echo ihrer Stimmen antwortete ihnen.
»Asahi!«, brüllte Jason.
Taisho ließ mutlos die Arme sinken. »Vielleicht war Asahi das Warten
zu langweilig, und sie ist mit Shilla einen anderen Korridor auskundschaften
gegangen.«
Jason nickte, sah von einem Torbogen zum nächsten – und wechselte
plötzlich die Farbe. »Oh nein«, stammelte er.
Taisho folgte seinem Blick und verstand, was seinen Freund so erschreckt hatte.
Fünf weitere Korridore waren von Granitblöcken versiegelt, die von
irgendwoher herbeigeglitten waren und auf ihrem Weg zur großen Halle jedes
Hindernis zermalmt haben mussten.
Und wenn selbst ein kräftiger Mann wie Jason seine Mühe gehabt hatte,
vor dem näher kommenden Steinquader davon zu laufen, welche Überlebenschance
mochte dann eine alte Frau mit einem schweren Rucksack gehabt haben, die eine
Schwebetrage vor sich her schob?
Mit erstickter Stimme sprach
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