Rettungskreuzer Ikarus Band 028 - Welt der Adlaten
Feindes befinden, meinst du nicht? Ein Volk Telepathen wäre prädestiniert
für den Posten des Statthalters: Jeglicher rebellischer Funke, egal, auf
welchem Planeten der Milchstraße er glimmen mag, würde im Keim erstickt.
Aber wir sind noch frei, und niemand wusste bis vor kurzem, dass die Vizianer
überhaupt existieren. Wir haben Shilla kennen gelernt. Und Pakcheon. Sie
haben uns wahrscheinlich nur einen Bruchteil dessen, was sie wirklich wissen,
verraten, aber was sie uns erzählten, passt zu den Informationen, die wir
haben. Und ich denke, dass wir ihnen, was die Outsider betrifft, vertrauen dürfen.
Nein, wenn es einen Mörder gibt, dann war es sicher nicht Pakcheon.«
Sonja lächelte böse. »Gut, wenn alle der Ansicht sind, dass der
Gedankenspion über jegliche Zweifel erhaben ist, sollten wir ihn um Unterstützung
bitten. Er kann sich mit Anandes Team befassen. Wenn jemand etwas zu verheimlichen
hat, wird er es bemerken. Er dürfte den Täter schneller ausfindig
machen können als wir anderen durch reine Recherche. Da er ein Ehrenmann
ist, wird er ja sicher keine pikanten Geheimnisse antasten, die mit dem Fall
nichts zu tun haben. Natürlich können wir zusätzlich sämtliche
Aufnahmen, die in den vergangenen Stunden gemacht wurden, durchsehen und die
Personalien überprüfen, doch wer so geschickt ist, eine Waffe nach
Sumire-A zu schmuggeln und bei dem Attentat die Optiken zu umgehen, hat sicher
auch hierfür Vorkehrungen getroffen. Ein Telepath als Ermittler dürfte
für den Täter hingegen eine Überraschung sein.«
Sentenza war sprachlos. Ausgerechnet Sonja, die eine extreme Abneigung gegen
die Vizianer hegte, schlug vor, dass sie Pakcheon hinzu zogen? Damit hatte er
nicht gerechnet. Die Idee war exzellent, da sie ihnen viel Zeit ersparen würde
und die Befragten nicht lügen konnten – falls Pakcheon bereit war,
die Station aufzusuchen und sich in die Angelegenheiten der Menschen verwickeln
zu lassen. Zwar war die Crew der Paracelsus davon unterrichtet worden,
dass das Schiff eines potentiellen Verbündeten zu ihnen gestoßen
war, doch war nicht anzunehmen, dass sich die Wissenschaftler für diese
Neuigkeit sonderlich interessiert hatten und jeder von ihnen über die besondere
Gabe der Vizianer Bescheid wusste.
Dem Mörder jedenfalls schienen die Telepathen unbekannt zu sein. Damit
hatte er die erste Nachlässigkeit begangen.
»Also gut«, entschied Sentenza. »Wenn keiner Einwände hat,
werde ich Pakcheon anfunken. Hoffentlich ist er gewillt, uns zu helfen.«
»Moment ... Moment ... Moment ...« Das fidehische Botschafter-Kollektiv
hatte sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten. »Wir möchten nicht
... aufdringlich sein ... nicht aufdringlich sein, aber ... wenn Pakcheon ein
Telepath ist ..., der empfindlich auf starke Emotionen reagiert ..., hätte
er dann nicht ... den Mord spüren müssen ... oder die Aufregung des
Mörders? Hätte er sich dann ... nicht bei uns gemeldet?«
Anyada Shen hatte das Gefühl, als würden tausende von Ameisen unter
ihrer Haut krabbeln. Natürlich wurde sie angestarrt wie ein Wundertier,
und Nadir erging es nicht besser. Was hatte sie auch erwartet? Dass die Kollegen
mit einem Achselzucken darüber hinweg gehen würden, dass sich zwei
Personen in ihrer Mitte aufhielten, die unsterblich waren und eine tödliche
Krankheit verbreiten konnten? Nun gut: quasi-unsterblich. Krshnas Tod, dachte
Anyada mit einem bitteren Geschmack im Mund, hatte die Antwort auf Nadirs Frage
gegeben. Man konnte jeden von ihnen tatsächlich töten. Die Regenerationsfähigkeit
hatte ihre Grenzen. War der Kopf – das Gehirn – zerstört, war
eine Wiederauferstehung unmöglich.
Zwar hatte Anandes Ansprache verhindert, dass sich die Kollegen auf Anyada und
Nadir stürzten, um sie auszufragen und zu untersuchen, doch es hatte einiger
Zeit bedurft, bis die Neugierde weniger wurde und jeder seine Arbeit wieder
aufnahm. Dennoch bemerkte Anyada, wann immer sie aufblickte, skeptische oder
wissbegierige Augenpaare, die sich sogleich abwandten. Ja, das war genau, wovor
sie sich immer gefürchtet hatte. Obwohl der Schein der Normalität
gewahrt wurde, betrachtete man sie nicht länger als Menschen und gleichwertigen
Mitarbeiter sondern als reizvolle Forschungsobjekte. Nach Orcus – in Gedenken
an Krshna wollte sie künftig ihr Exil auch so nennen – zurückkehren
zu dürfen, würde ein Segen
Weitere Kostenlose Bücher