Rettungskreuzer Ikarus Band 028 - Welt der Adlaten
sein.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Careena Wiland mitfühlend
und stellte eine Tasse dampfenden Kaffee vor Anyada ab.
Anyada stellte fest, dass sie eine Weile ins Leere geschaut und mit einer Pinzette
Muster durch die gallerartige Nährlösung auf dem Objektträger
gezogen hatte. »Ja ... Nein ... Ich weiß nicht.«
»Es tut mir sehr leid um Krshna«, sagte Careena. »Ich kannte
ihn zwar nicht näher, aber ich fand, dass er ein freundlicher Mensch war.
Du vermisst ihn sicher.«
Auf Orcus hatte es nur sie Drei gegeben. Und sie waren sich zwangsläufig
auf die Nerven gegangen, da es kaum Möglichkeiten gab, Begegnungen zu vermeiden.
Immer dieselben Gesichter, dieselben Gespräche über die Arbeit, der
eintönige Tagesablauf ... Künftig würden es nur Anyada und Nadir
sein. Krshna, dessen gutmütiges, ruhiges Wesen oft als Puffer zwischen
Nadirs ungestümen Forschungseifer und Anyadas aufbegehrendem Temperament
gestanden hatte, würde fehlen.
Krshna würde fehlen.
»Er war ein großartiger Mensch und Kollege«, sagte sie schlicht.
»Ja, ich vermisse ihn sehr.«
Careena drückte stumm ihre Schulter.
»Hast du keine Angst, mich zu berühren?« Verwunderung schwang
in Anyadas Stimme. Sie nippte an dem heißen Getränk und verbrannte
sich trotz des Schutzfilms die Oberlippe.
»Warum? Das habe ich auch vorher getan. Mir ist nichts passiert. Und nun
sind wir geimpft, sollte es noch einen Unfall ...« Careena seufzte. »Entschuldige,
das hätte ich nicht sagen dürfen«
»Schon gut. Uns war das Risiko bekannt, und es wurden Vorkehrungen für
den Fall des Falles getroffen. Glücklicherweise. Vielleicht hätten
wir uns dennoch nicht darauf einlassen sollen. Die Gefahr ist einfach zu groß,
und mit dem, was passierte, hat niemand gerechnet. Es ist wirklich besser, man
sperrt Nadir und mich ein, damit wir niemandem weiteren Schaden zufügen
können.«
»Es ist trotz des ... traurigen Vorfalls keinem von uns etwas geschehen«,
erinnerte Careena. »Alle sind gesund. Mach dir keine Gedanken darüber.
Ihr werdet gebraucht, darum seid ihr hier.«
»Aber wie sehen uns die Kollegen an? Als ob sie uns am liebsten bei lebendigem
Leib sezieren würden, nur um zu sehen, ob es in uns jetzt anders ausschaut.
Ich komme mir vor wie ein Monster. Während ich ewig lebe, bringe ich allen
den Tod. Es ist einfach ... grauenhaft. Macht dir das Wissen, was ich bin und
was ich getan habe, denn nichts aus?«
»Für mich bist und bleibst du derselbe Mensch, der du immer warst«,
erklärte Careena bestimmt. »Warum habt ihr damals auf Ymü-Tepe
nur dieses unselige Experiment durchgeführt?«
»Wir wurden zum übereilten Handeln gezwungen«, erwiderte Anyada
tonlos, »da einer aus unserem Team mit wichtigen Unterlagen spurlos verschwand.
Man hat ihn immer noch nicht erwischt, und es gab auch keine Nachrichten über
ähnliche Vorfälle auf einer anderen Welt, durch die das Raumcorps
auf sein Versteck aufmerksam geworden wäre. Hätten wir geahnt, was
wir anrichten würden, keiner von uns wäre zu dem Selbstversuch bereit
gewesen. Wir hätten alle Aufzeichnungen und Proben vernichtet, damit sie
nicht in falsche Hände gelangen. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich
fühle, wenn ich daran denke, wie viele Menschen den Tod gefunden haben
und leiden mussten, nur weil wir einen unverzeihlichen Fehler begangen haben?«
»Ich verstehe dich. Mir würde es nicht anders ergehen. All diese Männer,
Frauen und Kinder ... Fast jeder von ihnen hat jemanden verloren, den er liebte.
Zu töten, obwohl man helfen wollte, das ist schlimmer, als wenn man in
einem Krieg Leben nehmen muss, um sich selbst zu schützen. Wahrscheinlich
wäre ich an deiner Stelle längst verrückt geworden. Du bist eine
starke Frau, Anyada.«
»Nein, bin ich nicht.« Der Kaffee war nun erträglich heiß.
Anyada trank die Tasse leer. »Manchmal denke ich, die Last erdrückt
mich. Mit Krshna konnte ich immer reden, wenn ich mich schlecht fühlte,
und nun ist er ... hat er es hinter sich. Vielleicht ist er von uns allen am
besten dran. Laut seinem Glauben befindet er sich nun im Nichts und ist frei
von Schuld und Schmerz. Ich hoffe für ihn, dass das stimmt und Nadir und
ich auch irgendwann frei sein werden. Wir büßen, so lange wir leben
– zu Recht. Ob wir auch nach dem Tod noch büßen werden? Wer
weiß schon, ob es wirklich ein Leben danach gibt.«
»Anyada«,
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