Rettungskreuzer Ikarus Band 040 - Flammende Begeisterung
Vielleicht hätte Vince lieber stattdessen längere Beine gehabt? Oder hatte er eine Aversion gegen die Bioimplantate, welche Botero ihm in der vorletzten Woche in den Schädel gepflanzt hatte? Oder lag es an der Operation in der Woche davor, bei der Botero ihm ein originelles Set Genitalien designt hatte? Nein, dachte Botero, so nachtragend war Vince bestimmt nicht. Und warum sollte der Synthetoid auch etwas gegen die Experimente haben? Schließlich war der Grund für seine Existenz auch nur ein Experiment, und Botero war mit Vince noch lange nicht fertig. Bis die neue Lebensform seinen Ansprüchen genügte, würden noch einige chirurgische Eingriffe notwendig sein.
Botero fand den kleinwüchsigen Kunstmenschen schließlich, der sich wimmernd hinter einem Müllcontainer zusammengerollt hatte. »Vince, komm raus. Du bist umzingelt.«
»Ja, Meister«, stieß Vince hervor. Die gedrungene Gestalt mit den viel zu kurzen Armen – er würde diesen Makel bei nächster Gelegenheit unbedingt korrigieren müssen, ging es Botero durch den Kopf – kam aus seinem Versteck hervor und verneigte sich tief vor seinem Schöpfer. »Was wünscht Ihr, Meister?«
Botero tätschelte den Antennen bewehrten Kopf der Kreatur. Die Neuro-Implantate, die Vince in sich trug, erlaubten es dem Wissenschaftler, sich auch auf große Distanz bei ihm einzuloggen und den plumpen Körper fernzusteuern. Botero machte sich eine mentale Notiz, Vince diesbezüglich ein Upgrade für höhere Bandbreite zu gönnen; die Antwortzeiten des Remote-Moduls waren besorgniserregend lang, was neulich beinahe dazu geführt hatte, dass er das arme Geschöpf nicht rechtzeitig aus einem See mit kochender Säure hatte herausmanövrieren können. Um ein Haar wäre all die Arbeit an dem Synthetoiden umsonst gewesen. »Es wird Zeit, dass wir diesen gastlichen Planeten verlassen, mein kleiner Vince«, gurrte Botero. »Dein lieber Meister hat alles herausgefunden, was er wissen wollte. Wir müssen jetzt weiter.«
Vince schaute ihn aus traurigen Augen an. Ganz offensichtlich begriff er kein Wort.
»Wir haben einiges an Arbeit vor uns«, sagte Botero mit Nachdruck.
»Arbeit«, wiederholte Vince ohne großen Enthusiasmus. Dieses Wort verstand er immerhin.
Botero seufzte. Oh ja, er und sein Geschöpf hatten einiges an Arbeit vor sich. Seine Recherchen auf dem unwirtlichen Planeten Rhombus waren erfolgreicher gewesen, als er es sich hätte träumen können. Was der ach so große Forscher Ueland in seiner selbstgerechten Dummheit schlicht übersehen hatte, war einem Genie wie ihm selbstverständlich gleich ins Auge gesprungen. Und nun gab es viel für ihn zu tun.
Sehr viel sogar.
Wenn seine Beobachtungen richtig waren und er die richtigen Schlüsse gezogen hatte, dann stand die Galaxis vor einem Problem, gegen das sich die drohende Invasion der Outsider wie eine Klassenfahrt pubertierender Teenager ausnahm. Es würde Kranke und Tote geben, bürgerkriegsartige Unruhen und kollabierende Regierungen. Und am Ende einer furchtbaren Periode von Gewalt, Chaos und Anarchie zeichnete sich eine golden schimmernde Zukunft voller Hoffnung und Ordnung ab.
Mit ihm an der Spitze.
Botero lächelte. Er hatte es vorausgesehen. Er wusste ganz genau, was er tun musste. Es gab Heerscharen von Soldaten, die ihm bedingungslos dienen würden. Und es gab Millionen von Lebewesen, die sich auf ein besseres Leben vorbereiteten. Und er, Noel Botero, war dazu bestimmt, sie anzuführen.
Ganz gleich, was die anderen sagten – er war nicht verrückt. Er war auserwählt. Er hatte eine Bestimmung. Doch die Arbeit, die vor ihm lag, glich einer Sisyphusaufgabe. Er wusste gar nicht, wo er anfangen sollte. Und er und Vince hatten schließlich je nur zwei Hände.
Apropos...
»Hör mal, Vince«, sagte er jovial und legte dem Synthetoiden den Arm um die Schultern, »wie würde dir ein zusätzliches Paar Hände gefallen, hm? Wäre das nicht toll?«
Vinces große Augen füllten sich mit Tränen. »Meister?«
ENDE
RETTUNGSKREUZER IKARUS
Band 41
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von Erik Schreiber
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